1. Ciao, bella!
Je älter ich werde, desto schwerer macht es mir die Welt, sie ernst zu nehmen. Aus der Nähe kann sie unerbittlich, geradezu bedrohlich wirken, aber mit wachsendem Abstand nimmt sie immer komischere Züge an. Wenn mir die Welt so kommt, komisch eben oder lächerlich, ziehe ich an meiner Pfeife, grinse in mich hinein und denke: „Nur zu. Spielt euch ruhig auf. Strampelt euch ruhig ab. In mir findet ihr jederzeit einen dankbaren Zuschauer.“ Und nicht immer unterdrücke ich meine Lust, über das Schauspiel, das die Welt mir bietet, zu lästern. Natürlich ist mein Mundwerk daran schuld. Aber auch das zunehmende Alter.
Ich bin nicht der Einzige, dem es so geht. Vor Jahren lud mich der damalige Bundespräsident Roman Herzog ein, ihn auf einer Reise durch Korea zu begleiten. Unterwegs kam ich einmal im Bus neben ihm zu sitzen. Herzog war Mitte sechzig und ich fragte ihn nach seinen Plänen für die Zeit danach.
„Herr Bundespräsident, was werden Sie nach Ablauf Ihrer Amtszeit tun? Was haben Sie noch vor?“
„Meiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen. An der ich im Augenblick leider gehindert werde“, entgegnete er.
Ich sah ihn an. „Ja, und das wäre?“
„Spotten.“
Ich musste lachen. Die Antwort gefiel mir. „Da haben wir beide dieselbe Schwäche – oder Stärke“, stellte ich fest. Und bedauerte ihn: Wie schrecklich, von Amts wegen den Mund halten zu müssen.
Es ist merkwürdig. Die eigene Lage wird ernster – immerhin gehe ich nun auf die fünfundsiebzig zu –, aber die Welt nötigt mir immer häufiger ein mildes oder amüsiertes Lächeln ab. Die Welt in Gestalt von überängstlichen oder aufgeregten oder großmächtigen Zeitgenossen zum Beispiel. Zwar habe ich mir auch früher Freiheiten genommen – die Freiheit, Dinge beim Namen zu nennen, oder die Freiheit, mich lustig zu machen; das offene Wort, die kleine Boshaftigkeit gehörten für mich schon immer zu den Vorzügen benediktinischer Unabhängigkeit. Mit den Jahren hat die innere Freiheit allerdings weiter zugenommen.
Diese Freiheit ist ein schönes Geschenk des Alters. Aber vielleicht ist die Lust am Lästern nur ein Übergangsstadium. Zu den richtig Alten darf ich mich ja noch nicht rechnen, und womöglich bringe ich es irgendwann zu diesem wahrhaft liebenswürdigen Humor, der die Begegnung mit alten Menschen so durch und durch erfreulich macht. Mir fallen dazu immer zwei hochbetagte Frauen ein, deren zufällige Bekanntschaft ich eines Tages in einem italienischen Bergdorf machte.
Auf dem Weg zur Pfarrei bog ich in eine enge Gasse ein und da saßen sie in trauter Zweisamkeit auf einer knorrigen Holzbank an die Hauswand gelehnt und blinzelten in die späte Nachmittagssonne. Kaum hatte ich sie erreicht, wurden sie munter und ergriffen beherzt die Gelegenheit zum Schwätzchen mit einem Fremden. Woher ich komme, wollten sie wissen, was mich in ihr Dorf führe und allerlei mehr.
Die Freude über eine willkommene Abwechslung gab ihnen immer neue Fragen ein, amüsiert stand ich Rede und Antwort, wir plauderten, wir machten Scherze, und dann forderte mich die eine mit verschmitztem Lächeln auf: „Raten Sie mal, wie alt unsere Elisabetta hier ist.“
Das war nun schwer zu sagen. Elisabetta konnte alles zwischen siebzig und hundert sein, also wiegte ich den Kopf und tippte auf „etwas über fünfundsiebzig“. Offenbar lag ich damit aber hoffnungslos falsch, denn die Fragestellerin winkte energisch ab.
„Ach was!“, wies sie mich mit