: Peter Ballnik
: Vaterseelenallein Warum Kinder einen Vater brauchen und wohin es führt, wenn er fehlt
: Adeo
: 9783863347307
: 1
: CHF 12.60
:
: Gesellschaft
: German
: 288
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wie viele Menschen sehnen sich nach einem 'richtigen' Vater? Mehr als die Hälfte der Kinder wächst mittlerweile in sogenannten 'Patchworkfamilien' auf, weil sich die Eltern früh getrennt haben. In anderen Familien ist der Vater kaum ansprechbar, weil er beruflich über alle Maßen eingespannt und ständig unterwegs ist. Vielfach wird die Erziehung der Kinder deshalb den Müttern überlassen. Jenseits jeglicher Elternromantik analysiert Peter Ballnik den Kern vieler gesellschaftlicher Probleme. Denn wem das väterliche Vorbild fehlt, der hat es schwer im Leben. Und es zeigt sich, dass viele, die ohne einen richtigen Vater aufgewachsen sind, oftmals in große Konflikte geraten - es fehlt ihnen einfach ein Korrektiv, ein Wertegerüst, an dem sie sich orientieren können. Ein Buch mit hoher Relevanz. Thesenstark zeigt Peter Ballnik, auf welchem fatalen Weg wir uns befinden, weil wir dabei sind, die Vaterrolle mehr und mehr zu vernachlässigen.

Jahrgang 1960, begleitet als Psychotherapeut seit über 15 Jahren Männer in ihrer Vaterrolle. Neben seiner Praxistätigkeit ist er Autor und Co-Autor von mehr als einem Dutzend Fachbüchern und drei Ratgebern für Väter. Peter Ballnik ist nicht nur ausgewiesener Topexperte zum Thema Vaterschaft, er kann sein Wissen auch glänzend vermitteln. Als gefragter Referent und Seminarleiter überzeugt er mit seinem ganz eigenen, gekonnten Stil.

Kapitel 1

„Ich nehm mir, was ich kriegen kann.“

Warum Menschen kriminell werden

Die Unterlagen von Paul liegen vor mir. Der Satz am Ende meiner Notizen von der letzten Sitzung mit dem Sechzehnjährigen lautet: „Paul zeigt immer noch keine Reue.“

Es läutet. Da ist er. Leicht außer Atem und wieder einmal ein wenig verspätet. Ich reiche ihm die Hand. Mittlerweile muss ich schon ziemlich aufschauen, um in sein Gesicht zu sehen.

Paul ist guter Dinge, frohgemut und setzt sich auf die Couch. Er macht es sich gerne bequem. Bis er seine richtige Sitzposition gefunden hat, dauert es eine Weile. Wie oft in letzter Zeit kann er sich einen leichten Seitenhieb auf meine Kleidung nicht ersparen:

„Hey, diese weiße Cordhose stammt ja wohl noch aus den Achtzigern …“

„Stimmt“, antworte ich, „wenn nicht sogar aus den Siebzigern. Aber du siehst heute gut aus.“

„Ja, alles neu“, erzählt Paul stolz und schaut an sich herunter. „Die schwarze Jeans“, die wie jede Hose an ihm weit unten hängt, „ist von Fishbone. Aber vor allem der Gürtel“, dabei zeigt er auf das weiße Prachtstück mit einer überdimensionierten grauen Metallschnalle, die wie eine kleine Ziegelmauer aussieht, „die ist von Jeans only, der letzte Schrei.“

Ich stutze.Der letzte Schrei – das ist doch ein Ausdruck aus den Siebzigern. So redet doch heute kein Jugendlicher! Stellt sich dieser Junge etwa so gut auf mich ein? Will er auch mich so manipulieren, wie er es mit allen Menschen in seiner Umgebung macht? Einen Moment lang fühle ich mich düpiert, aber dann sage ich mir selbst: Warum sollte gerade ich eine Ausnahme sein?

Paul schaut mich kurz etwas irritiert an und fährt dann fort: „Mein Hemd“, ebenfalls schwarz und im Militärlook, „ist auch von Fishbone, war nicht billig!“ Stolz zeigt Paudann noch sein schwarzes Superman-Leibchen. In diesem Moment sehe ich vor mir das Bild, wie Paul als Erwachsener, im Maßanzug und perfekt gestylt, gestandene Wirtschaftsmanager über den Tisch zieht.

„Aber die Socken“, dabei zeige ich schmunzelnd auf seine alten, leicht zerfledderten hellgrauen Frotteesocken, „das ist ja ein richtiger Stilbruch. Sind die von Aldi?“

„Ich hatte es eilig“, antwortet Paul auffallend ruhig. Dann kontert er spielerisch aufgebracht mit einem schelmischen Lächeln: „Du hast es nötig, du mit deiner weißen Hose!“ Lachend beschließen wir unser Eingangsritual.

„Letzte Woche hatte ich riesiges Glück“, sagt Paul.

„Wie zeigte sich denn dein Glück?“, frage ich nach.

„Also, ich habe dir doch erzählt, dass ich ein Sparbuch gefunden habe. Das gehört einem alten Bauern im Altersheim. Der liegt im Koma und stirbt wahrscheinlich in den nächsten Tagen.“

„Ich dachte, du wolltest das Sparbuch zurückgeben“, setze ich nach.

„Wieso, der hat doch keine Erben und er selber kann damit nichts mehr anfangen.“

„Ja, aber ohne Passwort hast du keine Chance.“

„Mein Lehrer, der war mal Rechtspfleger und meint, dass in so einem Fall ein Totenschein ausreicht, damit die 12534 Euro mir gehören.“

Die Summe schockiert mich, die Höhe war mir neu. „Was du machst, ist nicht in Ordnung, das ist nicht legal“, beziehe ich Stellung.

„Ja, ja“, meint Paul, „