1. KAPITEL
Euer Gnaden, draußen wartet ein Bote auf Sie.“
„Ich danke Ihnen, Mrs. Cuthwell.“ Antoinette, die sich nach dem Frühstück zum Sticken in das Wohnzimmer zurückgezogen hatte, folgte der geschäftigen kleinen Frau nach unten zur Haustür des kleinen Cottage und nahm vom Boten einen an sie adressierten Brief in Empfang.
Zurück im Salon öffnete sie das Schreiben und las angespannt, was ihr Vater ihr in seiner charakteristischen großen, nach rechts geneigten Handschrift geschrieben hatte. Nach einem Treffen mit ihrem Onkel, dem Duke of Wilmington, war von den beiden Männern beschlossen worden, dass sie sich zunächst zu ihrer eigenen Sicherheit in die Obhut ihres Cousins Beau Falkner in Amerika begeben und bei ihm die Geburt ihres Kindes abwarten solle, wie er das ja schon früher vorgeschlagen hatte. Würde sie einem Sohn das Leben schenken, würde er der nächste Duke of Gravenworth werden und Matthews Versuche, den Titel zu usurpieren, würden vergeblich sein. Würde sie eine Tochter zur Welt bringen, dann würde man sich etwas überlegen müssen. Als Dowager Duchess wäre in jedem Fall finanziell für sie und Edmunds Tochter gesorgt.
Ihr Vater hatte bereits eine Passage auf der Dolphin um Kap Horn nach San Francisco gebucht. Der Kapitän des Klippers, ein gewisser W. T. Honeycutt, war ein Bekannter ihres Onkels und würde während der langen Überfahrt für ihre Sicherheit garantieren. Fünftausend Pfund, eine ansehnliche Summe Geldes, würde der Duke of Wilmington über die Schifffahrtgesellschaft für sie zur Bank of San Francisco transferieren. Damit sollte sie auch die Weiterreise in das Territorium von New Mexico finanzieren.
Antoinette faltete das raue Papier sorgfältig wieder zusammen. Sie sah hinaus. Große Regentropfen prasselten auf die kleinen Scheiben der beiden Fenster des Wohnzimmers, und dunkle, tief hängende Wolken ließen den Morgen fast ebenso düster wie den vorangegangenen Abend erscheinen.
Dies war das geeignete Wetter, um den gewagten Plan, den sie sich zurechtgelegt hatte, in die Tat umzusetzen. Sie hatte die Dunkelheit und ein gewisses Überraschungsmoment auf ihrer Seite. So sehr sie gegrübelt hatte, ihr war nur diese einzige Möglichkeit in den Sinn gekommen, Matthew daran zu hindern, das Erbe des Duke anzutreten.
Sie verließ den kühlen Raum und machte sich auf den Weg zu Captain Cuthwell, der sich, wie jeden Morgen nach dem gemeinsamen Frühstück, zum Lesen in sein kleines Arbeitszimmer zurückgezogen hatte. Es dauerte etwa zwanzig Minuten, bis sie den skeptischen pensionierten Marineoffizier mit Halbwahrheiten und Lügen so weit hatte, dass er ihr versprach, einen Kutscher kommen zu lassen, der vertrauenswürdig war und ein Paar schneller Pferde besaß.
Während sie ungeduldig die Ankunft des Kutschers erwartete, dachte Antoinette an ihre Flucht von Gravenworth zurück. Auf Edmunds Beerdigung hatte es glücklicherweise nur einiger geflüsterter Worte bedurft, und ihr Vater hatte seine einzige Tochter in seiner Kutsche weit weg von Matthew gebracht. Aber wie wenig verständnisvoll ihr Vater gewesen war, als sie ihm während der schaukelnden Fahrt erzählte, wie Edmundwirklich gestorben war! Obwohl er ihr erst geduldig zugehört hatte, als sie aufgeregt über den Jagdausflug und Matthews Drohungen berichtete, hatte er dann nur bedächtig den Kopf gewiegt und ihr eine Heirat mit Matthew ans Herz gelegt.
Vorsichtig hatte er ihr zu verstehen gegeben, dass ihre Erzählung angezweifelt werden würde, auch wenn er als ihr Vater ihrnatürlich Glauben schenkte. In Erinnerung daran schnaubte sie wütend.
„Du bist immer ein liebes, ehrliches Kind gewesen“, hatte er gesagt, „aber für deine Unschuld existiert kein Beweis, meine Liebe. Ein Glück, dass die Geschichte über den Wilderer von allen geglaubt wurde!“ Verlegen hatte er