1. Die neue Saison
Helen Edwards blickte auf, als Julie einen kleinen Teller mit einem eiswaffelförmigenEtwas vor ihr auf den Tisch stellte.
Auch wenn sie nicht sogleich davon kostete, wusste Helen schon jetzt, dass es ein absolut köstlicher Auftakt für dieses besondere »Probe-Menü« sein würde – ein kulinarisches Erlebnis von entscheidender Bedeutung, um die Gerichte für das Spendendinner der Cherringham Opera Society auszuwählen.
Heute Abend speiste Helen mit der Schirmherrin der Operngesellschaft, Lady Repton.
Immer eine unterhaltsame Gesprächspartnerin bei einem Dinner.
Für eine Frau, die über so ein großes Vermögen verfügte, hatte sie kaum Allüren.
Während die kleinen Teller hingestellt wurden, nippte Helen an ihrem Cotswold-Gin-Tonic; die Grapefruitscheibe darin war eine Offenbarung.
Unterdessen genoss Lady Repton einen Manhattan. Helen kannte diesen Drink nicht; sie hatte lediglich gehört, dass er ziemlich stark sein sollte.
Und Lady R. nimmt keineswegs kleine Schlucke.
Lady Repton hatte bereits zugesagt, wieder einmal als Gastgeberin der diesjährigen Veranstaltung zu fungieren, die außerdem eine Liveübertragung vonTurandot aus der Metropolitan Opera in New York bieten würde.
»Nun, Lucinda, was hältst du von dem Amuse-Bouche?«
Sie beobachtete, wie Lady Repton von der winzigen Waffel probierte, den Happen einen Moment auf ihrer Zunge ruhen ließ und sich ein Lächeln gestattete.
»Nun, meine Liebe, amüsieren tut es mich allemal!«
»Mich auch«, gestand Helen, die den Geschmack ebenfalls auskostete. »Ich kann mir nicht vorstellen, wie Sam es schafft, diesen Teig so leicht hinzubekommen.«
In dem Augenblick kam Julie, die mit ihrem Mann Sam, dem Koch, gemeinsam das Restaurant betrieb, zu ihnen herüber. Zuvor hatte sie die beiden von der Seite aus beobachtet.
»Schmeckt es den Damen?«
Helen lächelte. Sie und ihr Mann Michael waren Stammgäste im Spotted Pig, auch wenn man oft Wochen im Voraus reservieren musste.
Sie wusste, dass auch Lady Repton häufig hier speiste, obwohl sie in Repton Hall einen eigenen Koch hatte, der mehr als kompetent war.
Helen überließ es Lady R., als Erste zu antworten.
»Und ob es das tut, Julie. Gänseleber-Mousse, vermute ich? Kapern … ein Hauch von … Sherry vielleicht?«
»Vin Santo«, erwiderte Julie.
Lady Repton strahlte. »Ja, natürlich! Dieses nussige Honigaroma. Und die leichte Waffel – so hauchdünn! Perfekt.«
Nun war es Julie, die ein Strahlen im Gesicht hatte. Was sie gerade vernommen hatte, war ohne Zweifel ein hohes Lob von Lady Repton, die dafür berüchtigt war, dass man sie nicht leicht zufriedenstellen konnte.
»Wie war es für dich, Helen?«, fragte Julie.
»Oh, ganz wunderbar. Ich kann die anderen Gänge kaum erwarten.«
Lächelnd wollte Julie sich wieder ihren Pflichten widmen, als Lady Repton sie sacht am Arm berührte.
»Julie, falls es heute Abend in Ihrem Restaurant nicht allzu geschäftig zugeht, könnte Sam dann eventuell zu uns kommen und mit uns einige Punkte besprechen, während wir mit dem Essen fortfahren?«
Julie nickte lächelnd, aber Helen sah, wie sich ihre Miene ein wenig umwölkte.
Vielleicht stellte dieses spezielle Probe-Menü – selbst wenn nur zwei Leute daran teilnahmen – eine Aufgabe dar, die ein wenig beängstigend für das kleine Restaurant war.
Obwohl das Pig gewiss schon früher solche Herausforderungen gemeistert hatte.
Dann aber kam Helen ein anderer Gedanke:Ist heute Abend womöglich der Druck zu groß?
Anfangs hatte Julie nur wenigen Leuten von ihrer Schwangerschaft erzählt, doch inzwischen ließ sie sich nicht mehr verheimlichen. Das erste Baby! Aber Säuglinge bedeuteten zusätzliche Kosten, und dann war da selbstverständlich die Frage, wer sich hier während der ersten Mon