: Ian McGuire
: Nordwasser
: mareverlag
: 9783866483385
: 1
: CHF 8.70
:
: Erzählende Literatur
: German
: 304
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Henry Drax kennt kein Gewissen. Er ist Harpunierer auf der Volunteer, einem Walfangschiff, das von England Kurs auf die arktischen Gewässer der Baffinbucht nimmt. Ebenfalls an Bord ist Patrick Sumner, ein Arzt von zweifelhaftem Ruf, der glaubt, schon alles gesehen zu haben - nicht ahnend, dass seine größte Prüfung noch bevorsteht, nachdem er Drax einer ungeheuerlichen Tat überführt hat. Während sich der Konflikt zwischen den beiden Männern zuspitzt, wird auch der eigentliche Sinn der verhängnisvollen Expedition zunehmend klar ... Die erschütternde Schönheit und Einsamkeit des Nordpolarmeers bilden die Kulisse für Ian McGuires dramatischen Roman um Gut und Böse, eine in ihrer philosophischen und psychologischen Dimension zeitlose Geschichte über die tiefsten Abgründe des menschlichen Herzens.

Ian McGuire, 1964 geboren, aufgewachsen in Hull, East Yorkshire, studierte an den Universitäten Manchester und Sussex und promovierte an der University of Virginia. Nordwasser, sein zweiter Roman, war ein New York Times-Bestseller und nominiert für den Man Booker Prize 2016. Ian McGuire lebt mit seiner Familie in Manchester.

1


Sehet den Menschen.

Er schlurft aus Clappison’s Courtyard heraus auf die Sykes Street und schnüffelt die vielschichtige Luft – Terpentin, Fischmehl, Senf, Grafit, der übliche durchdringende morgendliche Pissegestank geleerter Nachttöpfe. Er schnaubt einmal, streicht sich über den borstigen Kopf und rückt sich den Schritt zurecht. Er riecht an den Fingern, dann lutscht er langsam jeden einzelnen und leckt die letzten Reste ab, um auch wirklich alles für sein Geld bekommen zu haben. Am Ende der Charterhouse Lane biegt er nach Norden in die Wincolmlee und passiert die Taverne De La Pole, die Walratkerzenmanufaktur und die Ölsaatfabrik. Über den Dächern der Lagerhallen sieht er schwankende Haupt- und Besanmasten, hört die Rufe der Hafenarbeiter und die klopfenden Hämmer aus der nahen Böttcherei. Er reibt die Schulter an glattem rotem Backstein; ein Hund läuft vorüber, gefolgt von einem Karren, auf dem sich unbearbeitetes Holz auftürmt. Er atmet nochmals ein und fährt mit der Zunge über den lückenhaften Wall seiner Zähne. Er spürt ein neues Bedürfnis, das klein, aber beharrlich in ihm keimt, ein quälendes Verlangen, das gestillt werden will. Sein Schiff läuft im Morgengrauen aus, doch vorher muss noch etwas erledigt werden. E