: James Romm
: Seneca und der Tyrann Die Kunst des Mordens an Neros Hof
: Verlag C.H.Beck
: 9783406718779
: 1
: CHF 17.00
:
: Vor- und Frühgeschichte, Antike
: German
: 321
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF/ePUB
Wenn die Philosophen Trauer tragen! Wir kennen den edlen Römer Seneca, den Stoiker und Autor ethischer Schriften, der mit verklärtem Blick seinen Tod erwartet. Aber es gibt noch einen anderen Seneca - den skrupellosen Politiker und Tyrannenlehrer, der als engster Berater Neros fungiert. Seine Geschichte erzählt James Romm in diesem packenden Buch über das alltägliche Sterben am Hof des Kaisers. Wird es Seneca als Erzieher des jungen Nero gelingen, seinen Zögling zum ersten römischen 'Philosophenkönig' zu formen? Dem steht der Sinn eher nach Musik, Frauen und rauschenden Gelagen. Kaum dass er im Jahre 54 seine Regierung antritt, beginnt sich eine Spirale aus Verunsicherung, Misstrauen und Größenwahn zu drehen. Mit scharfem Blick für die Windungen der neronischen Tyrannenherrschaft zeichnet Romm das Grauen nach, das bald in Rom um sich greift. Dort sterben nicht nur vermeintliche Konkurrenten - nein, das Blutvergießen Neros gipfelt im Mord an der eigenen Mutter. Der Kaiser lässt sich auch nicht die Chance entgehen, nach einer gescheiterten Verschwörung in einer wahren 'Säuberung' die führenden Senatoren hinzurichten. Schließlich ist Seneca selbst an der Reihe und muss erkennen, dass sich die süße Milch der Weisheit, mit der er seinen Schüler einst nährte, in das Gift eines Ungeheuers verwandelt hat.

James Romm lehrt als Professor for Classics am Bard College in Annandale (New York). Im Verlag C.H.Beck ist von ihm lieferbar: Der Geist auf dem Thron. Der Tod Alexanders des Großen und der mörderische Kampf um sein Erbe (2016).

EINLEITUNG

DIE BEIDEN SENECAS


Eine mögliche Beschreibung der Karriere Senecas als Schriftsteller, Denker, Dichter, Moralist und langjähriger engster Berater und Weggefährte des Kaisers Nero könnte lauten:

Ein Mann, zu dessen höchsten Idealen Besonnenheit, Vernunft und moralische Tugendhaftigkeit gehörten, wurde ins Zentrum der römischen Politik katapultiert. Er tat sein Bestes, die Launen eines irregeleiteten Despoten zu mäßigen, während er fortfuhr, die moralischen Abhandlungen zu veröffentlichen, die seine eigentliche Berufung waren. Als sein Einfluss im Palast schwand, zog er sich zurück und schuf in Abgeschiedenheit seine eindringlichsten und nachdenklichsten Werke über Tugend, Natur und Tod. Der Kaiser, dem er lange als Berater zur Seite gestanden hatte, bediente sich, wütend über Senecas Rückzug, eines Vorwandes, um ihn zur Selbsttötung zu zwingen. Seine ihm treu ergebene Frau wollte ihn in seinen nüchternen, tapferen Selbstmord begleiten, entschlossen, mit ihm in den Tod zu gehen, doch kaiserliche Truppen kamen dazwischen und retteten ihr Leben.

Eine andere Möglichkeit, dasselbe Leben zu beschreiben, könnte so lauten:

Ein schlauer Manipulant aus bescheidenen Verhältnissen erschmeichelte sich den Weg ins Machtzentrum des Römischen Reiches. Er nutzte seine glänzende Sprachbegabung dazu, sich als Philosoph darzustellen, nutzte in der Folge seinen großen Einfluss, um sich zu bereichern, und verschuldete einen Aufstand in Großbritannien durch die Wucherzinsen, zu denen er Geld an die Bewohner dieser Provinz verlieh. Nachdem er sich an den finstersten Verbrechen des Palastes als Mitverschwörer oder sogar als Anstifter beteiligt hatte, versuchte er seinen Ruf mit wohlbedacht ausformulierten literarischen Paradestücken zu retten. Als immer klarer wurde, dass der Zorn des Kaisers zur Gefahr für ihn wurde, suchte er Zuflucht am Altar der Philosophie, was ihn nicht hinderte, gleichzeitig ein Mordkomplott zu schmieden. Den letzten Trumpf in seinem Buhlen um Anerkennung spielte er mit seinem theatralischen Selbstmord aus, den mit ihm zu erleiden er seine Frau gegen ihren Willen überredete.

Das sind die beiden gegensätzlichen Vorstellungen, die die Römer des ausgehenden 1. Jahrhunderts von Seneca hatten, der eloquentesten, rätselhaftesten und politisch engagiertesten Persönlichkeit ihrer Zeit. Die erste ist weitgehend dem historischen DramaOctavia entnommen, das ein unbekannter Autor in den letzten Jahrzehnten des 1. Jahrhunderts geschrieben hat. Die zweite hat uns Cassius Dio überliefert, ein römischer Chronist, der mehr als hundert Jahre nach Senecas Tod lebte und sich auf die Schriften früherer Autoren stützte. Es besteht kein Zweifel daran, dass diese Autoren an der Wahrhaftigkeit Senecas zweifelten. Sie glaubten den Gerüchten, denen zufolge Seneca ein ausschweifendes und unersättliches Leben geführt, als Politiker alles dem kalten Kalkül der Macht untergeordnet und eine zentrale Rolle in einer Mordverschwörung gegen Nero im Jahr 65 gespielt hatte.

Zwischen diesen Extremen steht Tacitus, der größte aller römischen Historiker und die bei weitem beste Quelle für das Zeitalter Neros, auf die wir heute zurückgreifen können. Tacitus, ein scharfsinniger Erforscher der menschlichen Natur, war fasziniert von dem Philosophen, der die Vorzüge einer schlichten, arbeitsamen Lebensführung pries, während er zugleich Wohlstand und Macht anhäufte. Doch letzten Endes konnte auch Tacitus das Rätsel Seneca nicht lösen.

Tacitus wählte Seneca zum Protagonist

Cover1
Titel3
Zum Buch321
Über den Autor321
Impressum4
Widmung5
Inhalt7
Einleitung Die beiden Senecas9
Kapitel Eins Selbstmord (I) 49 n. Chr. und davor17
Kapitel Zwei Königsmord 49–54 n. Chr.52
Kapitel Drei Brudermord 54–55 n. Chr.85
Kapitel Vier Muttermord 55–59 n. Chr.117
Kapitel Fünf Gattenmord 59–62 n. Chr.148
Kapitel Sechs Brandopfer 62–64 n. Chr.182
Kapitel Sieben Selbstmord (II) 64–66 n. Chr.216
Epilog Der gute Tod 68 n. Chr. und danach249
Anhang261
Danksagung261
Anmerkungen263
Bildnachweis307
Deutsche Ausgaben antiker Texte308
Literatur309
Register317