1. KAPITEL
Das Telefon klingelte genau im falschen Moment. Sophie, die gerade Tabellenkalkulation machte, stöhnte auf. Sie musste noch so viel durcharbeiten und war daher bereits seit dem Morgengrauen im Büro.
Normalerweise kam sie um acht und arbeitete so lange, wie es nötig war, denn niemand sollte ihr mangelndes Pflichtbewusstsein vorwerfen. An diesem Tag wollte sie aber ausnahmsweise einmal früh gehen, damit sie genügend Zeit hatte, sich für ein Rendezvous fertig zu machen – ein heißes Rendezvous mit Oliver Duncan, dem Inhaber ihres Konkurrenten, der Werbeagentur Duncan’s. Sie würde den Abend also mit einem der begehrtesten Junggesellen Londons verbringen.
„Ich habe doch gesagt, dass ich nicht gestört werden möchte, Narell“, meldete sie sich gespielt streng, denn sie wusste, dass Narell die beste Assistentin der Welt war. Es musste sich daher um etwas Wichtiges handeln.
Narells Stimme klang allerdings gequält. „Dieser Mann lässt sich leider nicht abwimmeln. Er will unbedingt mit dir sprechen.“
Sophie schnitt ein Gesicht. „Aha, unbedingt. Ich weiß nicht, ob ich Männer mag, die so hartnäckig sind. Wer ist es denn?“
„Es ist …“ Narell räusperte sich. „Es ist Don Luis de la Camara.“
Luis.
Luis!
Sophie klammerte sich an den Schreibtisch, als würde ihr Leben davon abhängen. Es war verrückt, dass ihr der kalte Schweiß ausbrach, wenn sie nur seinen Namen hörte! Sie verspürte ein erregendes Prickeln. Und dann Schuldgefühle.
Was hatte Luis de la Camara nur an sich? Ihr war doch klar, was für ein Mann er war – oberflächlich, sexy und tabu für sie. Und nun pochte ihr Herz wie wild, obwohl sie normalerweise ruhig und vernünftig war. Sie dachte nicht mehr an Oliver, sondern sah den furchteinflößendsten Mann vor sich, den sie je kennengelernt hatte.
Dann riss sie sich allerdings zusammen und fragte sich, warum der arrogante Spanier sie hier im Büro anrief und darauf bestand, mit ihr zu sprechen.
Sie verfluchte den Tag, an dem ihre Cousine ihn geheiratet hatte, und nickte widerstrebend. „Okay, Narell. Du kannst ihn durchstellen.“
„Gut.“
Nach einer kurzen Pause hörte Sophie die unverkennbare sinnliche Stimme von Luis de la Camara und spürte zu ihrem Leidwesen, wie sie errötete. Er ist verheiratet, rief sie sich ins Gedächtnis, und zwar mit deiner Cousine. Du verachtest ihn, falls du das vergessen haben solltest.
Sie hatte lernen müssen, ihn zu hassen. Es war viel besser, einen Mann zu hassen, als sich einzugestehen, dass er einen auf eine beängstigende Weise erregte und dies zudem völlig unpassend war. Und wie sollte eine Frau etwas anderes als Hass für einen Mann empfinden, der sie mit unverhohlenem Verlangen in den Augen ansah, und das nur wenige Tage vor der Hochzeit ihrer Cousine?
„Soph-ie?“
Luis sprach ihren Namen aus wie kein anderer – mit singendem Tonfall und einem leichten spanischen Akzent, was ihr stets eine Gänsehaut verursachte. Schnell schaltete sie die Sprechanlage aus und nahm den Hörer ab, damit der Klang seiner Stimme nicht den Raum erfüllte.
„Ja, das bin ich“, erwiderte sie forsch und legte ihren Stift weg. „Das ist wirklich eine Überraschung, Luis.“ Was für eine Untertreibung!