Habemus papam: Epochenwandel in Rom – 2005
Eine große Freude – Rom, 19. April 2005
Erleichterung ist das Erste in den Zügen Papst Benedikts XVI. Er reißt die Arme über dem Petersplatz hoch wie ein Boxer. Alle Erdenschwere, die Joseph Kardinal Ratzinger bis gestern noch oft gedrückt und gefesselt zu haben schien, ist plötzlich von ihm abgefallen. Noch einmal reißt er die Arme hoch, und noch einmal! So hat ihn noch nie jemand gesehen, und er sich auch selber nicht. Nichts ist ihm zu groß, die purpurrote Prachtstola nicht, nicht das weiße Käppi, nicht einmal die Schuhe seines Vorgängers, dessen Nachbar und engster Vertrauter er über zwei Jahrzehnte war. Gestern noch ist er unbemerkt mit seinem Sekretär in einen kleinen Golf eingestiegen, ab heute ist er umgezogen, keine hundert Meter weiter, nur über die Straße hinweg. Doch jetzt sieht es aus, als hätte er im Himmel eine Wohnung genommen, als könne er gleich fliegen. Seine alte Wohnung wird er nie wiedersehen. Unbeschreiblicher Jubel empfängt ihn auf dem Sessel Petri, zuerst von den Massen auf dem Petersplatz, dann von den Römern, dann von den Italienern und schließlich von der verblüfften Welt und mehr noch von der Weltkirche, die plötzlich von einem der brillantesten und profiliertesten Köpfe des Erdballs geleitet und geführt wird. Das ist wahrhaftig ein Epochenwandel. Einer der klügsten Köpfe Europas auf dem vornehmsten Sessel des Abendlandes, nachdem Generationen von Intellektuellen der Kirche den Rücken gekehrt haben.
Eine dünne weiße Rauchfahne hat diesen Wandel eingeleitet, um 17.45 Uhr, der skeptisch von Millionen Augenpaaren beobachtet wurde. War sie weiß, war sie nicht doch wieder grau? Ändert sich die Farbe nicht wieder? Nein, endgültig, es war weiß. Nur der Himmel ist grau. Und da war auch schon klar: So schnell kann die Wahl nur Joseph Ratzinger unter allen Kardinälen gewonnen haben, der erste Deutsche seit Jahrhunderten in den Schuhen des Fischers Simon vom See Genezareth. Augenblicklich brach das Telefonnetz zusammen. Lachen und Rufen aus tausend Kehlen. Freude wehte wie ein Sturm über die tausend Köpfe hinweg der Peterskuppel entgegen. Die Glocken setzten ein, zuerst langsam, bedächtig, bis sie zu einem letzten tobenden Crescendo anwuchsen, für fast zwanzig Minuten. Jetzt erst lösen sich vollends alles Zögern und jeder Zweifel in letztem Jubel. Kein Fußballstadion hat solches Toben je gesehen.
Es fing schon an, bevor der neue Papst vor die Menge trat. Leichter Regen setzte ein, tropfenweise, wie Tränen. Alle Scheinwerfer um den Platz sprangen an, über den Säulen Berninis, über den Häusern in der Nachbarschaft, auf dem Hügel des Gianicolo, gleißend hell. Die Sonne kam hervor. Es regnete weiter. Irgendwo müsste gleich ein Regenbogen über dem Platz aufleuchten. In den Kolonnaden näherte sich Trommelwirbel. Die Schweizer Garde zog ein, in ihren prächtigsten Uniformen. Hinter ihne