: Peter Meisenberg
: Die verkaufte Republik Zwischenrufe aus WDR3
: Emons Verlag
: 9783960413110
: 1
: CHF 7.60
:
: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
: German
: 280
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Stimme des Kölner Autors und Journalisten Peter Meisenberg kennt man seit vielen Jahrzehnten aus dem Hörfunk. Im WDR3 setzt er sich kritisch mit politischen und gesellschaftsrelevanten Themen auseinander. Das Buch bündelt circa 150 dieser kurzen und pointierten Radiobeiträge, die aus der Zeit von 2005 bis 2017 stammen. Sprachlich ausgefeilt, kühn, unzensiert und weitab von Leitartikel-Jargon und Politik-Sprech nimmt Meisenberg die politische Entwicklung unter den letzten drei Kanzlerschaften Merkels unter die Lupe und kommentiert das Geschehen aus unkonventioneller Perspektive.

Peter Meisenberg, Jahrgang 1948, studierte Geschichte, Philosophie und Germanistik. Seine schriftstellerische Laufbahn begann er 1981 mit dem Schreiben von Essays, Features und Hörspielen, unter anderem für den WDR. Er lebt als freier Autor in Köln.

ARCANUM


Die Arroganz der Macht

Geheimdienst und Fiktion


Ohne Spione gäbe es keine spannende Literatur, gäbe es nicht Graham Greene und John le Carré, gäbe es nicht solche Filme wie Sydney Pollacks berühmten »Die drei Tage des Condor«. Dort findet man auch den innigsten Konnex zwischen Spionage und Fiktion: Robert Redford als CIA-Agent liest sich durch Hunderte von Spionage-Thrillern, um seinen Oberen Tipps fürs wirkliche »Geschäft« geben zu können. Die Literatur braucht die Geheimdienste ebenso wie die Geheimdienste auf die Literatur angewiesen sind. Im Augenblick scheint allerdings vieles dafür zu sprechen, dass sich dieses gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis zulasten des Realen und damit entschieden zugunsten des Fiktionalen entwickelt hat.

Wie anders wäre beispielsweise die Berichterstattung des amerikanischen DIA aus dem Vorkriegs-Irak zu deuten? All diese gruseligen A-, B- und C-Waffen, die Saddam gehortet haben sollte, erwiesen sich wenig später als – Requisiten für den neuen James-Bond-Film. Es scheint, als habe der Geheimdienst eher an dessen Drehbuch gearbeitet, als ein außenpolitisches Szenario zu entwerfen. Und jetzt zeigt sich, dass sich bei der Realisation dieses Plots auch die deutschen Geheimagenten ähnlich glanzvoll für die Filmkunst verdient gemacht haben. Jener von Kinderhand gestrichelte Schneckenplan mit den Verteidigungslinien der irakischen Armee um Bagdad, dieser hinreißende Internetauftritt des lustigen BND-Agenten Reiner M. auf seiner Homepage – mit Foto! –, so etwas kann es doch nicht in Wirklichkeit geben, das kann doch nur gut erfunden sein.

Dass das Geheimdiensttreiben weniger von irgendwelchen realen Begebenheiten als von der Lust am Gebrauch der Phantasie gesteuert wird, zeigt auch das Verhalten des Parlamentarischen Kontrollgremiums PKG. Die Mitglieder dieses auf absolute Geheimhaltung verpflichteten Geheimdienstausschusses hatten in der letzten Woche nichts Dringlicheres zu tun, als ihre geheimsten Geheimnisse fröhlich der Öffentlichkeit zu verkünden. Da diese »Geheimnisse« eher verwegenen Spekulationen glichen, stellt sich die Frage, ob das PKG da nicht einem elementaren Bedürfnis des Wahlvolkes nach gut ausgedachten Agentenpistolen entgegenkam und: ob dieses Wahlvolk nicht ein Recht auf mehr von diesem Stoff hat.

Entschieden mit »Ja« beantwortete John le Carré diese Frage in seinem Roman »Der Schneider von Panama«. Dieser Schneider – Harry Pendel mit Namen – wurde von einem britischen Spion selbst zur Spionage erpresst. Da er aber an tatsächliche Informationen nicht herankam, erfand er welche, steigerte sich dabei in einen wahren Phantasierausch und lieferte am Schluss eine so hanebüchene Verschwörungstheorie, dass dem Geheimdienst Ihrer Majestät erhebliche Zweifel an der Geschichte kamen und er daraufhin die geplante Intervention absagte.

Womit le Carrés Roman den Weg in die Zukunft geheimdienstlichen Wirkens gewiesen hat: Je toller und gewagter die Spione ihre Informationen frei erfinden, desto sicherer der Weltfriede. Außerdem könnte so das ganze Geheimdienstwesen erheblich preisgünstiger gestaltet werden. Denn statt für teures Geld in der Welt herumzufahren, wür