: Marisa Frank
: Aus dem Elternhaus vertrieben Sophienlust 174 - Familienroman
: Blattwerk Handel GmbH
: 9783740924461
: Sophienlust
: 1
: CHF 3.10
:
: Erzählende Literatur
: German
: 100
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. »Vati, nimm mich bitte mit!« Atemlos kam Henrik von Schoenecker auf die Pferdekoppel gestürzt. Sein Gesicht war vom schnellen Lauf gerötet, seine grauen Augen blitzten unternehmungslustig. »Mutti hat gesagt, dass einige Pferde zum Versand kommen.« »Genau gesagt, drei Stück.« Alexander von Schoenecker stieß sich vom Zaun ab und ging seinem Sohn entgegen. Lächelnd fuhr er ihm über den wirren Haarschopf. Damit gab sich Henrik nicht zufrieden. Energisch entwand er sich der streichelnden Hand. »Lass uns an die Arbeit gehen. Ich will dir helfen.« »Hast du deine Schularbeiten schon gemacht?« Betreten senkte Henrik den Kopf. Beinahe hätte er ja gesagt und seinen Vater damit belogen. »Na dann, mein Sohn, ab nach Hause!« Henrik zog eine Schnute, aber er trollte sich. Er wusste, bei seinem Vater nützte kein Bitten und Betteln. Ein Nein blieb ein Nein. Alexander blickte seinem neunjährigen Sohn kurz nach, auf den er stolz war. Dann rief ihn wieder die Pflicht. Er musste sich beeilen, wenn er die drei Pferde in Bachenau zum Versand bringen wollte. Kurze Zeit später hatte Alexander von Schoenecker mit Hilfe des alten Janosch die Pferde in seinem Viehwagen verstaut. Mit traurigem Gesicht stand der alte Pferdepfleger neben ihm. Alexander ahnte den Grund seiner Trauer. Janosch liebte Pferde über alles. Es fiel ihm schwer, von ihnen Abschied zu nehmen. »Es sind drei Prachtstücke«, sagte Alexander. »Das habe ich deiner Pflege zu verdanken.« Bedächtig nickte Janosch, aber auch die lobenden Worte konnten ihn nicht aufmuntern. Alexander gab den Versuch, ein Gespräch zu beginnen, auf. Er wusste, wenn Janosch in einer solchen Verfassung war, machte er den Mund

»Vati, nimm mich bitte mit!« Atemlos kam Henrik von Schoenecker auf die Pferdekoppel gestürzt. Sein Gesicht war vom schnellen Lauf gerötet, seine grauen Augen blitzten unternehmungslustig. »Mutti hat gesagt, dass einige Pferde zum Versand kommen.«

»Genau gesagt, drei Stück.« Alexander von Schoenecker stieß sich vom Zaun ab und ging seinem Sohn entgegen. Lächelnd fuhr er ihm über den wirren Haarschopf.

Damit gab sich Henrik nicht zufrieden. Energisch entwand er sich der streichelnden Hand. »Lass uns an die Arbeit gehen. Ich will dir helfen.«

»Hast du deine Schularbeiten schon gemacht?«

Betreten senkte Henrik den Kopf. Beinahe hätte er ja gesagt und seinen Vater damit belogen.

»Na dann, mein Sohn, ab nach Hause!«

Henrik zog eine Schnute, aber er trollte sich. Er wusste, bei seinem Vater nützte kein Bitten und Betteln. Ein Nein blieb ein Nein.

Alexander blickte seinem neunjährigen Sohn kurz nach, auf den er stolz war. Dann rief ihn wieder die Pflicht. Er musste sich beeilen, wenn er die drei Pferde in Bachenau zum Versand bringen wollte.

Kurze Zeit später hatte Alexander von Schoenecker mit Hilfe des alten Janosch die Pferde in seinem Viehwagen verstaut. Mit traurigem Gesicht stand der alte Pferdepfleger neben ihm. Alexander ahnte den Grund seiner Trauer. Janosch liebte Pferde über alles. Es fiel ihm schwer, von ihnen Abschied zu nehmen.

»Es sind drei Prachtstücke«, sagte Alexander. »Das habe ich deiner Pflege zu verdanken.«

Bedächtig nickte Janosch, aber auch die lobenden Worte konnten ihn nicht aufmuntern.

Alexander gab den Versuch, ein Gespräch zu beginnen, auf. Er wusste, wenn Janosch in einer solchen Verfassung war, machte er den Mund nicht auf.

Mit einem raschen Seitenblick musterte Alexander das wettergegerbte Gesicht unter dem weißen Haar. Siebzig Jahre war Janosch bereits alt, aber er nahm es noch leicht mit jüngeren Arbeitern auf. Vor allem um seinen Pferdeverstand beneideten ihn alle. Selbst sein Schwiegersohn, der Tierarzt Dr. Hans-Joachim von Lehn, holte sich hin und wieder Rat bei ihm.

Der Fahrer des Viehwagens trat so plötzlich auf die Bremse, dass Alexander nicht nur aus seinen Gedanken gerissen wurde, sondern mit dem Kopf etwas unsanft an die Scheibe stieß. Der Vorwurf blieb ihm jedoch im Halse stecken, als er den Jungen bemerkte, der einfach auf die Straße gelaufen war. Jetzt stand er mit erschrocken aufgerissenen Augen einen Meter vor der Kühlerhaube.

Alexander beugte sich aus dem Fenster. »Da haben wir noch einmal Glück gehabt. Warum hast du es denn so eilig?«

Verstört blickte der Kleine zurück zum Bahnhof, wo ein Personenzug gerade die Station verließ.

»Hast du jemanden abholen wollen?« Alexander nickte dem Jungen aufmunternd zu.

Der Junge antwortete nicht. Er drehte sich um und hastete davon.

Kopfschüttelnd sah Alexander ihm nach, und Janosch meinte brummend: »Chef, Zeit wird’s.« Er deutete auf den Lastzug, der schon bereitstand.

»Du hast recht wie immer. Ihr ladet die Pferde aus, und ich kümmere mich inzwischen um die Papiere.« Alexander sprang aus dem Wagen und ging mit elastischen Schritten auf das Bahnhofsgebäude zu. Daher bemerkte er nicht, dass der Junge zurückgekommen war. Er stand am Gehweg. Als der Viehwagen sich in Bewegung setzte, lief der Junge hinterher.

Der Fahrer fuhr nun nahe an die Rampe heran. Der Marktflecken Bachenau hatte eine kleine Bahnstation, trotzdem verlud Alexander von Schoen­ecker seine Pferde oder andere Produkte des Gutes stets hier und nicht in der nahen Kreisstadt Maibach. Alle kannten und verehrten den großen, schlanken Mann, der für jeden ein nettes Wort fand.

Unbemerkt vom alten Janosch, der eben den Pferden gut zuredete, war der Junge wieder herangekommen. Er stand hinter einem Strauch und verschlang den ehemaligen ungarischen Pferdehirten mit seinen Blicken. So etwas hatte er noch nie gesehen.

Für einen Fremden war Janoschs Anblick auch etwas ungewohnt. Allein die Koteletten und der hängende Lippenbart waren sehenswert, aber da war noch seine Kleidung. Janosch trug eine weiße Leinenhose, ein hochgeschlossenes Leinenhemd und schwarze Schaftstiefel. Diese Tracht wurde ergänzt durch eine dunkle Weste und einen niedrigen schwarzen Filzhut.

Kein Wunder, dass der kleine Junge vor Staunen den Mund nicht mehr zubrachte. Fasziniert starrte er durch das Blätterwerk, wobei er vor Au