1. KAPITEL
Dr. Parker Reese hielt von sich selbst eine ganze Menge. Jeder kam gut mit ihm aus, und er hatte einen ausgeprägten Sinn für Humor. Außerdem war er aufrichtig und anderen gegenüber respektvoll und hilfsbereit. In schwierigen Situationen konnte sich jeder auf ihn verlassen, ein Fels in der Brandung eben und der geborene Chef. Das hatten auch die Mitglieder des Texas Cattleman’s Club gleich erkannt, die ihn in den angesehenen Club aufgenommen hatten, obgleich er erst seit drei Monaten in Royal lebte und von Kühen keine Ahnung hatte.
Parker gehörte zu der seltenen Sorte Mensch, mit der jeder auskam und die jeder mochte.
Na ja, fast jeder.
Parker sah sich in der Cafeteria um. Sein Blick blieb an dem Tisch hängen, an dem das letzte Objekt seiner Begierde saß. Sie aß ihr Lunch und hatte dabei ihr Smartphone in der Hand und Ohrstöpsel in den Ohren, um ihre Umwelt akustisch auszublenden. Das war Clare Connelly, Oberschwester auf der neuen Kinderstation desRoyal Memorial Hospitals und bei Weitem die fähigste Krankenschwester, mit der er je zusammengearbeitet hatte. Die Station wurde bestens geführt, und Schwester Connelly war bei ihren Mitarbeitern außerordentlich beliebt.
Aber aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen mochte sie Parker nicht.
Lucas Wakefield, Chef der Chirurgie und wie Parker Mitglied des TCC, des Texas Cattleman’s Club, stellte sein Tablett auf dem Tisch ab und ließ sich Parker gegenüber auf einen Stuhl sinken. „Was dagegen, wenn ich mich zu dir setze?“
„Und wenn? Du sitzt ja schon!“ Parker grinste. Luc war schuld daran, dass er überhaupt nach Texas gekommen war. Vor Jahren hatten sie sich als Medizinstudenten bei einer Tagung kennengelernt. Zu der Zeit hatte Parker noch vor, sich als Schönheitschirurg zu spezialisieren, der einzige Beruf, den sein Vater als lukrativ und passend für den Sohn eines wohlhabenden Unternehmers akzeptierte. Zwar hatte Parker dazu keine Lust gehabt, weil er wusste, auf eine solche Tätigkeit könnte er nie stolz sein, aber wie so oft hatte er sich auch hier dem Wunsch des Vaters gefügt.
Doch Luc hatte auf ihn eingeredet und ihn schließlich dazu gebracht, die Vorstellungen seines Vater in den Wind zu schießen und das zu tun, was er wirklich wollte, nämlich Kinderarzt zu werden. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte Parker sich gegen den Vater aufgelehnt. Der war natürlich außer sich gewesen, hatte gedroht, ihm das Studium nicht weiter zu finanzieren, ja sogar, ihn zu enterben. Doch als Parker hart blieb und meinte, das würde er in Kauf nehmen, hatte der Vater schließlich nachgegeben.
Zwar war ihr Verhältnis seitdem leicht angespannt gewesen, aber Parker fühlte sich endlich frei und unabhängig. Und kurz vor dem Tod des Vaters im vorigen Jahr waren die Differenzen so gut wie ausgeräumt. Durch die Erbschaft war Parker Reese plötzlich ein reicher Mann und konnte tun und lassen, was er wollte. Er sehnte sich danach, New York zu verlassen, wo er nur wegen seines kranken Vaters geblieben war.
Da rief eines Tages und wie aus heiterem Himmel Luc an, von dem er schon lange nichts gehört hatte. Dr. Mann, der Spezialist für Neugeborene desMemorial Hospitals in Royal, Texas, würde pensioniert und sie bräuchten dringend Ersatz. Das Gehalt, das ihm angeboten wurde, war zwar nicht umwerfend, aber durch die Erbschaft war Parker davon nicht abhängig. So verkaufte er seine Praxis und zog nach Royal. Und hatte es nie bereut.
„Hast du eigentlich das Mädchen noch mal angerufen, das du in dem Souvenirshop getroffen hast?“ Luc riss eine Zuckertüte auf und entleerte sie in seinen Kaffee.
„Ich habe sie zum Dinner eingeladen.“
„Und …?“
„Dann habe ich sie nach Hause gebracht.“
„Zu dir oder zu ihr?“ Luc sah ihn feixend an.
„Zu ihr.“
„Und? Hat sie dich zu einem Absacker eingeladen?“
Das tun sie immer. Und das endete dann üblicherweise im Schlafzimmer. Vor ein paar Monaten hätte Parker auch nicht gezögert, die Einladung anzunehmen. Aber in letzter Zeit kamen ihm diese Verhältnisse irgendwie schal und langweilig vor. „Hat sie, aber ich habe abgelehnt.“
„Wa