: Désirée Laubenstein, David Scheer
: Sonderpädagogik zwischen Wirksamkeitsforschung und Gesellschaftskritik
: Verlag Julius Klinkhardt
: 9783781555976
: Perspektiven sonderpädagogischer Forschung
: 1
: CHF 16.10
:
: Sonderpädagogik
: German
: 326
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
Sonderpädagogik kann aktuell als sich in einem Spannungsfeld „zwischen Wirksamkeitsforschung und Gesellschaftskritik“ befindlich gesehen werden.
Der vorliegende Band setzt sich mit der Frage nach diesem Spannungsfeld auseinander und repräsentiert in der Vielfalt der Beiträge auch die Komplexität desselben.
Die Beiträge des Bandes gehen den Fragen nach der Beziehung von Theoriebildung und (empirischer) Forschung, von Handlungspraxen und ihren (gesellschaftlichen) Bedingungen sowie von wirksamer Förderung und (umfassender) Teilhabe nach. Sie spiegeln in ihrer Darstellung aktueller Projekte und Forschungen die vielfältigen Diskurse und unterschiedlichen Forschungsfelder der gegenwärtigen Sonderpädagogik wider.
Sandra Schütz, Folke Brodersen, Sandra Ebner, Nora Gaupp
Wie inklusiv ist die empirische Jugendforschung? Aktuelle deutsche Jugendstudien und die Dimension Behinderung (S. 85-86)

Zusammenfassung: Die empirische Jugendforschung verfolgt das Ziel, die Lebenslagen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen darzustellen und daraus Ableitungen für Wissenschaft, Fachpraxis, Gesellschaft und Politik zu treffen. In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, wie aktuelle Jugendforschung sich dabei zur Dimension Behinderung verhält. Hierzu werden exemplarisch vier repräsentativ angelegte Jugendstudien bezogen auf Zugänge, Stichprobenkonzepte, Lebensweltbezug sowie Befragungsmethoden diskutiert. Die Ergebnisse zeigen, dass Jugendliche mit Behinderung Gefahr laufen, ausgeschlossen zu werden bzw. wenn sie erfasst werden, nicht ausreichend identifizierbar sind. Ebenso bilden Befragungsinhalte an einigen Stellen die Lebenswelt von Jugendlichen mit Behinderungen nicht genügend ab und Befragungsmethoden und -instrumente scheinen in Teilen für die Möglichkeiten von Jugendlichen mit Behinderungen ungeeignet zu sein. Für eine inklusivere Jugendforschung bedarf es daher einer Forschung, welche angemessene Zugänge und Stichprobenkonzepte klärt und Methoden entwickelt, die Jugendlichen mit unterschiedlichen Formen von Behinderungen eine Beteiligung an Empirie erleichtert.

1 Ausgangslage

Die empirische Jugendforschung zielt auf die Erhebung und Darstellung der Lebenslagen und der Lebensführung Jugendlicher, ihrer Praxen, Einstellungen, Werte und Normen ab. Die zunehmenden Bemühungen um gesellschaftliche Teilhabe von Jugendlichen mit Behinderung produzieren nicht zuletzt einen Bedarf an Wissen. Daher sind Fachpraxis und Politk vermehrt auf Informationen über Wünsche und Belange von Jugendlichen mit Behinderung angewiesen, um passgenaue Angebote bereitstellen zu können. Der vorliegende Beitrag geht davon aus, dass eine inklusive Forschung an die Erfahrungen der empirischen Jugendforschung anknüpfen muss, um nicht bestehende Potentiale zu verschenken. Zu fragen ist deshalb: Wie inklusiv ist die empirische Jugendforschung in Bezug auf die Dimension Behinderung aktuell? Zur Beantwortung sollen exemplarisch ausgewählte Jugendstudien herangezogen werden, die an dieser Stelle in entsprechenden Ausschnitten betrachtet werden. Darunter ist die Berücksichtigung der Möglichkeiten, Einschränkungen und Lebenslagen von Jugendlichen mit Behinderungen in Zugängen, Inhalten und Methoden zu verstehen.

2 Ausgewählte deutsche Jugendstudien und die Dimension Behinderung

Für die Betrachtung der aktuellen Jugendforschung wurden Jugendstudien ausgewählt, welche die Alltagswelt von Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren fokussieren. Die Studien verfolgen außerdem den Anspruch einer repräsentativen Befragung von Jugendlichen in Deutschland bzw. einzelnen Bundesländern und weisen Fallzahlen von n> 1000 auf. Thematisch enger gefasste Studien zu Bildung oder Gesundheit wurden ausgeklammert, die gewählten Studien sollten ein breiteres Spektrum der Lebenswelt (z. B. Freizeitaktivitäten, Sozialbeziehungen, Familie, Schule, Persönlichkeit, Werteorientierung) erheben. Entlang dieser Kriterien wurden die Studien Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten (AID:A), Jugend.Leben, Shell-Jugendstudie und Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) (Tabelle 1) ausgewählt. Bei AID:A wurden die Fragen für die 12- bis 17-jährigen Zielpersonen, bei Jugend.Leben die Fragebögen für Schülerinnen und Schüler der 7. bis 13. Jahrgangsstufe1, bei der Shell-Studie das gesamte Befragungsmaterial und bei SOEP die Fragebögen für 17-Jährige aus der Erhebung von 2015 und für 13- bis 14-Jährige aus der Erhebung von 2016 betrachtet.

2.1 Zugänge und Stichproben

Zugänge und Stichproben spielen eine wichtige Rolle im Hinblick auf die Einbindung junger Menschen mit Behinderungen in Empirie. An ihnen zeigt sich, ob Jugendliche mit Behinderungen eingeschlossen und als Teil der zu repräsentierenden Jugendlichen angesehen werden. In den betrachteten Jugendstudien werden drei verschiedene Zugangswege gewählt: private Haushalte (AID:A, SOEP), Rekrutierung der Teilnehmenden durch die Interviewerinnen und Interviewer mittels Quotenstichprobenziehung mit exakt festgelegter Personenanzahl in bestimmten Untergruppen (kategorisiert nach Alter, Geschlecht, Ost/ West, Schularten ohne Förderschule) (Shell-Jugendstudie) oder über Schulen (Jugend.Leben).
Titelei4
Impressum5
Inhaltsverzeichnis6
Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers10
I. Die Suche nach der Wirksamkeit und Inklusivität15
II. Selbst wirksam sein16
III. Selbst wirksam werden18
IV. Die Gestaltung von Bildung19
V. Die Aufdeckung gesellschaftlicher Exklusionspraktiken22
Markus Dederich: Zwischen Wirksamkeitsforschung und Gesellschaftskritik – Versuch einer Standortbestimmung24
1 Standortbestimmung I: Wirksamkeit als intendierter Effekt sonderpädagogischer Forschung und Intervention oder Selbstwirksamkeit der Sonderpädagogik?25
2 Standortbestimmung II: Sonderpädagogik als Instanz und Gegenstand der Gesellschaftskritik29
3 Standortbestimmung III: „Sonderpädagogik zwischen…“32
4 Anknüpfungen36
5 Schlussbemerkung40
Literaturverzeichnis40
Michael Grosche: Brücken bauen, statt einreißen! Introspektion der quantitativ-empirischen Sonderpädagogik zur Ermöglichung einer inter- und transdiskursiven Zusammenarbeit42
1 Der Diskurs gegen die quantitativ-empirischeSonderpädagogik42
2 Methodologische Frage 1: Woher kommen die normativen Ziele der quantitativ-empirischen Sonderpädagogik?46
3 Methodologische Frage 2: Welchen Status haben quantitative Ergebnisse in wissenschaftlichen Argumenten?51
4 Methodologische Frage 3: Wie gelangt man vonsprachlich-formulierten Theorien zu quantitativen Daten und wieder zurück?55
5 Schlussfolgerungen für die inter- und transdiskursive Kooperation von beiden Zugängen59
Literaturverzeichnis60
Mechtild Gomolla: Strukturelle Veränderungen der regulären schulischen Institutionen in Richtung sozialer Gerechtigkeit? Spannungsverhältnisse zwischen Neuer Steuerung und Inklusion64
1 Einleitung64
2 Schuleffektivität und Gerechtigkeit – eine wechselvolle Geschichte68
3 Epistemologische und methodische Engführungen der SE/SI-Forschung74
4 Schuleffektivität als Politik76
5 Inklusive Schulentwicklung – zwei Perspektiven78
Literaturverzeichnis79
I. Die Suche nach der Wirksamkeit und Inklusivität84
Sandra Schütz, Folke Brodersen, Sandra Ebner, Nora Gaupp: Wie inklusiv ist die empirische Jugendforschung? Aktuelle deutsche Jugendstudien und die Dimension Behinderung86
1 Ausgangslage86
2 Ausgewählte deutsche Jugendstudien und die Dimension Behinderung87
3 Diskussion90
4 Ausblick92
Literaturverzeichnis93
Anna Behns, Katja Koch: Zur Problematik der Definitionsvielfalt von „Inklusion“ in der Bildungsforschung94
1 Problemstellung94
2 Problematik der Definition von Inklusion in der Bildungsforschung95
3 Methodisches Vorgehen für die Begriffsanalyse96
4 Analyse des Inklusionsbegriffs in der Bildungsforschung99
5 Diskussion100
Literaturverzeichnis101
Sven Bärmig: Was heißt Wirkungsforschung in der Sonderpädagogik?104
1 Illusion104
2 Diagnostiken als Selbstzweck105
3 Der Kontext evidenzbasierter Diagnostik106
4 Wirkungen?107
5 Kritische Perspektiven109
6 Konklusion110
Literaturverzeichnis111
II. Selbst wirksam sein114
Dorothea Ehr: Interaktion, Selbst-/ Handlungsregulation und das Phänomen Angst in der Pädagogik bei Verhaltensstörungen – Eine theoretische Arbeit in evidenzbasierter Zeit?!116
1 Angsterleben aus interaktionistischer Perspektive mit dem Fokus SHR: zwischen dem Wunsch nach Erreichung eines Ziels und der zum Zweifeln anregenden Wirklichkeit116
2 Mögliche Komponenten eines interaktionistischen SHR-Modells der Angst119
Literaturverzeichnis123
Karolina Siegert, Bettina Lindmeier: Ohne Abschluss und nicht ‚ausbildungsreif’? Biographische Bewältigungsstrategien männlicher Jugendlicher im Übergang126
1 Forschungskontext Übergänge126
2 Forschungskontext Männlichkeit127
3 Fallbeispiel Walid128
4 Ausblick132
Literaturverzeichnis133
Marwin Felix Löper, Frank Hellmich: Soziale Selbstkonzepte von Kindern im Grundschulalter und ihre Einstellungen gegenüber Peers mit Förderbedarf in der sozial-emotionalen Entwicklung136
1 Theoretischer und empirischer Hintergrund136
2 Forschungshypothesen138
3 Methode139
4 Ergebnisse140
5 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse141
Literaturverzeichnis143
Gamze Görel, Frank Hellmich: Erfahrungen, Einstellungen und Motivation von Studierenden des Grundschullehramts in Hinblick auf den inklusiven Unterricht144
1 Theoretischer und empirischer Hintergrund144
2 Forschungshypothesen146
3 Untersuchungsmethode147
4 Ergebnisse148
5 Zusammenfassung und Diskussion149
Literaturverzeichnis151
Susanne Groth, Sinem Ulutas, Mathilde Niehaus: Akademikerinnen und Akademiker mit und ohne Behinderungen arbeiten zusammen – Empirische Ergebnisse zum Teamklima152
1 Einleitung152
2 Hintergrund und Ausgangspunkt153
3 Inklusions- und Partizipationsforschung in Be