1. KAPITEL
Am Neujahrsmorgen um kurz nach sechs Uhr verließ Liam Wade die große Scheune, in der die jungen Pferde untergebracht waren. Er hatte die erste Fütterung hinter sich, und das Malmen der Tiere, hin und wieder unterbrochen durch ein leises Schnauben, weckte in ihm ein Gefühl tiefer Zufriedenheit.
In den letzten Jahren war Liam am Neujahrsmorgen üblicherweise in den Armen einer schönen Frau aufgewacht, noch halb betrunken von einer wilden Silvesterparty. Aber dieses Mal hatte er die Party relativ früh und vor allem allein verlassen.
Sein Handy vibrierte in der Hosentasche. Liam zog es heraus. Eine Nachricht von seiner Haushälterin.
Hier ist eine Frau, die unbedingt mit Ihnen sprechen möchte.
Liam runzelte die Stirn. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Was, um alles in der Welt, wollte diese Frau schon so früh von ihm? Er simste zurück, dass er auf dem Weg sei, und ging mit schnellen Schritten zu seinem Range Rover.
Vor seinem Haus parkte ein grauer Wagen, den er noch nie gesehen hatte. Er lief die Stufen zu der mächtigen Eingangstür des viktorianischen Ranchhauses empor, das sein Ururgroßvater Ende des neunzehnten Jahrhunderts gebaut hatte. Liam und sein Zwillingsbruder Kyle waren hier bei ihrem Großvater aufgewachsen, da ihre Mutter sie schon früh verlassen hatte, nach Dallas gezogen war und dort eine sehr erfolgreiche Maklerfirma aufgebaut hatte.
Liam war unbehaglich zumute. Er liebte den Frieden und die Einsamkeit auf dem Land und hasste jede Störung. Als er die Tür aufstieß und in die große Eingangshalle trat, fiel ihm gleich der Kindersitz auf, der neben der Tür an der Wand lehnte. Außerdem hörte er ein Baby wimmern.
Er durchquerte die Halle und trat in das Wohnzimmer, aus dem die Laute kamen. Bei dem Bild, das sich ihm bot, blieb er verblüfft in der Tür stehen. Er hörte noch, wie seine Haushälterin Candace sagte: „Liam muss jede Sekunde hier sein“, dann trat er ein.
„Was geht hier vor?“ Er blickte zwischen Candace und der blonden Fremden hin und her.
Candace, die ihn nicht hatte kommen hören, wandte sich ihm hastig zu und sah ihn erleichtert an. „Das ist Diane Garner. Und das unglückliche Baby hier ist Dianes Enkeltochter.“
„Sind Sie Liam Wade?“
„Ja.“ Liam war überrascht über den feindseligen Tonfall der Frau. Er war absolut sicher, dass er sie noch nie gesehen hatte. Auch der Name sagte ihm nichts.
„Meine Tochter ist tot.“ Die Fremde sah ihn ernst an.
„Das tut mir sehr