Revolution! – Revolution? – Einige einleitende Bemerkungen
»Revolutionen sind Zeiten, in denen der Arme
seiner Rechtschaffenheit, der Reiche seines Reichtums
und der Unschuldige seines Lebens nicht sicher ist.«
(Joseph Joubert, 1754 - 1824)
»Die Revolutionen sind die
Lokomotiven der Geschichte.«
(Karl Marx, 1818 - 1883)
De revolutionibus orbium coelestium, so heißt das Hauptwerk von Nikolaus Kopernikus, das in seinem Todesjahr 1543 bei Johannes Petreius in Nürnberg erschienen ist und unser Weltbild im wahrsten Wortsinn »umdrehte«. Das Buch handelt von den Kreisbewegungen der Himmelskörper. Kopernikus begründete mit seinen Theorien ein neues, nachmittelalterliches Weltbild. Das spätlateinische Wort revolutio (Zurückwälzen, Umdrehung) wurde im 15. Jahrhundert zu einem Fachausdruck der Astronomie, in der »Revolution« die Umdrehung der Himmelskörper bezeichnete. Erst im 16. Jahrhundert begann sich die Bedeutung des Wortes zu verändern. Es fand Eingang in das Vokabular der politischen Geschichte und bezeichnete nun auch die Rückkehr zu einem politischen, gesellschaftlichen Zustand, wie er vor unerwünschten Entwicklungen geherrscht hatte. Dem lag im Wesentlichen die Auffassung zugrunde, dass Menschen, Gruppen oder ganze Gesellschaften durch Verderbnis (corruptio) bedroht waren, wenn eine gesellschaftliche oder politische Ordnung ihre guten Eigenschaften vergaß. Das hatte den Verlust der Tugend (virtus) zur Folge, die normalerweise dafür Sorge trägt, dass individuelles und allgemeines Wohl miteinander verbunden bleiben. An einem solchen Punkt war es, so hat es z. B. Niccoló Machiavelli (1469 - 1527) formuliert, geboten, die [ursprüngliche] Ordnung wiederherzustellen, also an den Ausgangspunkt zurückzukehren. Ein solches Verlangen nach der Rückkehr zum alten Recht ist bis in die Neuzeit nicht selten. So betrachtet waren die Vorgänge 1688/89 in England, die nach der Cromwell-Republik und dem Bürgerkrieg die Monarchie – freilich in veränderter Konstruktion – wiederherstellten, eine Revolution und wurden auch schon von den Zeitgenossen sogenannt: Glorious Revolution.
In unserem heutigen Geschichtsbewusstsein spielt der – zumeist positiv besetzte – Begriff der »Revolution« eine enorm wichtige Rolle. Das heutige Verständnis von Revolution als gewaltsamer oder zumindest plötzlicher politischer oder gesellschaftlicher Umsturz bestehender Zustände und Machtverhältnisse entstand erst im 18. Jahrhundert unter dem Einfluss der Französischen Revolution. Später wurde der Begriff verallgemeinert und für grundlegende Veränderungen, plötzlichen Wandel und Neuerung gebräuchlich. Revolutionen markieren »Bruchstellen der Entwicklung aus tiefer Vergangenheit in die Gegenwart«, wie es Hans Peter Hye formuliert hat. Dies hängt zusammen mit dem uns eigenen Fortschrittsdenken, zu dem uns nicht unwesentlich das Gedankengut der Aufklärung verholfen hat; wiederum eine wichtige Voraussetzung für Revolutionen: Sie sind das Bemühen, dem »lichten Fortschritt« gegen die »finsteren Mächte der Reaktion« zum Sieg zu verhelfen. Trotz der weitestgehend entzauberten russischen Oktoberrevolution markiert die Revolutio