KAPITEL 1
Frühlingserwachen: Für die große Liebe ist man nie zu jung
Sätze wie »Davon verstehst du noch nichts« oder »Dafür bist du noch zu klein« mögen vielleicht passen, wenn es um Nanotechnologie geht, um altgriechische Versmaße oder um den Irrsinn, der sich tagtäglich auf den globalen Finanzmärkten abspielt, aber keineswegs, wenn von Liebe die Rede ist. Denn dieses Gefühl ist angeboren.
Man muss nichts von neuronalen Botenstoffen wissen, um die berühmten Schmetterlinge im Bauch zu spüren, plötzlich außer peinlichem Gestammel nichts mehr von sich geben zu können und von einem Zwei-Sekunden-Blick in die Augen Herzrasen zu bekommen. Das passiert einfach. Manchmal sogar schon im Sandkasten.
Erwachsene mögen das albern finden (grobe Fehleinschätzung) oder goldig (fast noch schlimmer), aber Tatsache ist: Gefühle sind eine ernste Sache. Und sie unterliegen keiner Altersbeschränkung. Übrigens gilt das für beide Seiten der Skala …
Für immer und ewig
Auf den Bergen des Atlasgebirges lagen noch Schneereste, aber hier im Tal war der Winter vorbei und der Boden endlich trocken genug, um wieder Fußball zu spielen.
Oh, wie hatte Hakim diesen Tag herbeigesehnt! Genauso wie seine Freunde. Es war ungewöhnlich mild, fast zwanzig Grad, und die Jungs beeilten sich noch mehr als sonst mit den Hausaufgaben, um endlich losziehen zu können.
Hakim brachte den Ball mit. Lässig hatte er ihn unter den Arm geklemmt, doch wenn es darauf angekommen wäre, hätte er darum gekämpft wie ein Löwe. Der Ball war sein wertvollster Besitz. Und natürlich wagte es niemand, ihn ihm streitig zu machen.
Sie trafen sich an der Kreuzung. Latif, Malik, Lounis, Rashid, Faruq und die anderen. Trikots hatten sie nie besessen und doch trugen sie alle das gleiche Dress: Baumwollshorts, verwaschene T-Shirts, Sportsocken und Sneakers, die freilich weder so genannt wurden noch ein Markenlogo trugen. Doch das war alles unwichtig.
Wichtig dagegen war die Frage, wo sie künftig ihr Spielfeld abstecken sollten. Denn der Platz, den sie jahrelang dafür genutzt hatten, existierte nicht mehr. An der Stelle war in den letzten Monaten gebaut worden und jetzt stand genau dort, wo Hakim im letzten Sommer so viele Treffer erzielt hatte, ein neues Haus.
»Blöde Baracke«, schimpfte er, als sie daran vorbeitrotteten. Dabei war es alles andere als das. Im Gegenteil, der Neubau war wirklich beeindruckend mit seinen schönen Ornamentfliesen am Sockel, den strahlend blau lackierten Klappläden, der hübschen Sitzbank neben dem Eingangstor und der riesigen Dachterrasse.
Rashid schnaubte verächtlich.
Lounis spuckte bestätigend aus.
Malik schüttelte nur den Kopf.
Die anderen taten so, als existierte das Haus überhaupt nicht. Wortlos stapften sie daran vorbei.
Ganz so leicht war es nicht, ein freies Stück Land zu finden, das einigermaßen flach war und auf dem nicht allzu viel störendes Gestrüpp wuchs. Aber sie fanden eins. Markierten die Tore mithilfe von Stöcken und kratzten mit den Fersen die Seitenlinien in den Staub. Und schon konnte es losgehen …
Beim Kicken vergaß Hakim alles um sich herum. Die Schule, die Hausaufgaben, die Ermahnung seiner Mutter, nicht zu spät heimzukommen. Erst als Karim und Latif sagten, sie müssten nun langsam los, fiel ihm das wieder ein. Weil ihm der Ball gehörte, machten auch die anderen Schluss und gemeinsam marschierten sie zurüc