DIE SCHUHE WAREN mindestens eine Nummer zu klein. Marie musste ganz vorsichtig gehen, damit sie nicht stolperte. Vor allem der Teppich bereitete ihr Schwierigkeiten und sie konnte gar nicht anders, als sich an Oskars Arm festzuhalten. Das Mieder war viel zu eng, sie war so ein Ding gar nicht gewöhnt. Die Köchin hatte sie reingeschnürt und dreimal nachgefragt, ob sie sicher sei, sich das antun zu wollen. »Ja, zieh fest zu, ich will wie eine feine Dame ausschauen.«
Hoffentlich wurde ihr nicht schwindlig, schließlich konnte sie die Schnüre alleine nicht lockern.
Oskar schritt über die große, mit rotem Teppich ausgelegte Treppe, als wäre das alles völlig normal für ihn. Das riesige Stiegenhaus, die vielen Gemälde, die Marmorstufen, all das schien ihn nicht wirklich zu beeindrucken.
Nachdem ein Herr in einer schwarzen Livree ihre Karten abgerissen hatte, führte Oskar sie in den Zuschauerraum des k. k. Hofburgtheaters. Er schien zu spüren, wie der Raum auf Marie wirkte, knapp hinter dem Einlass blieb er stehen und beobachtete sie, wie sie sich mit offenem Mund und großen Augen umblickte. Die mit rotem Samt bezogenen Sessel, die üppig verzierten Logen, die vielen Lichter überall und der riesige Kristallluster in der Mitte des Saals. So einen Prunk hatte sie, das Mädchen vom Land, noch nie gesehen.
»Verzeihen Sie, Sie können hier nicht stehen.«
»Pardon, darf ich bitte durch?«
»Gestatten?«
Die beiden wurden von den anderen Gästen ins Innere des Raumes geschubst und Marie hielt die abgerissenen Karten fest in der Hand. Oskar hatte darauf bestanden, dasssie sie an der Tür vorzeigte, obwohl Marie ihm den Umschlag bereits in der Tramway in die Hand hatte drücken wollen.
»Das sind deine Karten. Du hast sie geschenkt bekommen und du nimmst mich freundlicherweise mit. Also behältst du die Karten auch.«
Seitdem hielt Marie die beiden kleinen Papierstreifen fest in der Hand. Nur als sie kontrolliert und abgerissen wurden, ließ sie sie kurz los.
»Wo sind unsere Plätze?« Oskar hielt ihre Hand immer noch fest.
»Ich weiß es nicht.« Marie sprach ganz leise.
»Du musst auf die Karten schauen, da steht’s.«
Mein Gott, wie dumm sie sich vorkam. Ein dummes, kleines Kindermädchen vom Land, das Dame spielen wollte. Und ins Theater ging. Wahrscheinlich hatten die feinen Leut’ sie alle längst bemerkt und tratschten über sie. Rasch las sie vor: »Fünfte Reihe, Platz sechs und sieben.«
»So teure Plätze hatte ich noch nie!« Oskar zog sie begeistert weiter und sie suchten die fünfte Reihe.
Marie war froh, als sie sich setzen konnte, die Schuhe drückten unangenehm und durch das enge Mieder war sie doch ein wenig kurzatmig.
»Und?« Oskar strahlte sie an, als würde das alles ihm gehören und er es ihr stolz präsentieren.
»Es ist … es ist … überwältigend.«
»Ja, das stimmt. Ich kann mich so gut daran erinnern, wie ich das erste Mal hier war.«
»Wann war das?«
»Ich weiß es genau. Ich war siebzehn. Herr Stock hat mir die Karte zum Geburtstag geschenkt, allerdings Stehplatz. Nicht so nobel wie dein erster Theaterbesuch.«
»Tja, ich kann’s mir ja leisten«, lachte Marie, die sich inzwischen ein wenig entspannt hatte. Die Theaterkarten, die der Herr Doktor ihr zu Weihnachten geschenkt hatte, kosteten fast so viel, wie sie in einem Monat in seinem Haushalt als Kindermädchen verdiente.
»Ja, du bist eine feine Dame und ich nur ein einfacher Buchhändler, da hab ich richtig Glück, dass du mich mitnimmst.«
Inzwischen hatten alle ihre Plätze eingenommen, nur hier und da huschten noch ein paar Menschen durch die Gänge, ein Klingeln ertönte und Oskar drückte ihre Hand und flüsterte: »Pst. Es geht los.«
Marie war w