: Werner Schimke
: Freund unter Feinden Wie ich als junger Soldat den Zweiten Weltkrieg überlebte
: Brunnen Verlag Gießen
: 9783765575006
: 1
: CHF 7.10
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: Briefe, Tagebücher
: German
: 112
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Max Schimke erlebt in Berlin die Reichspogromnacht am 9. Nov. 1938. Mit 20 Jahren wird er zur Wehrmacht eingezogen. Zunächst an der Westfront eingesetzt, wird er in Frankreich bei einer Familie in der Nähe von Paris einquartiert. Er unterstützt die Familie, will nicht ihr Feind sein. Gefährlich wird es für ihn nach der Verlegung an die Ostfront: Russland, die Ukraine und der Balkan werden seine Einsatzorte. Im Nachhinein sieht Max, dass die Bewahrung in brandgefährlichen Situationen Gottes Eingreifen für ihn war. Nach dem Ende des Krieges vertraut er sich ihm im Glauben an. Bei seinem Tod hinterlässt Max viele handgeschriebene Seiten mit seinen Erfahrungen. In eindrücklichen Szenen schildert er darin, was Krieg und Verfolgung für Menschen bedeuten. Sein Sohn Werner Schimke hat aus diesen Aufzeichnungen ein kostbares, spannendes Buch zusammengestellt. Ein Lebensbericht für alle, die sich für Schicksale von Menschen in bedrohlich-dunklen Zeiten und lebendig erzählte Zeitgeschichte interessieren.

Die „Reichskristallnacht“ im November 1938


Es war am 8. November 1938, ein Tag, den ich in meinem Leben nie vergessen werde, mein vorletzter Arbeitstag, denn am 11. November sollte ich zum Arbeitsdienst einberufen werden. Schon Tage davor wurden von den nationalsozialistischen Parteiorganen Parolen gegen die Juden herausgegeben, die Schaufenster jüdischer Geschäfte verschmiert und zum Teil jüdische Bürger, die ja den Judenstern tragen mussten, öffentlich beschimpft. Doch was sich an diesem 8. November ereignet hat, das kann man mit Worten fast nicht beschreiben.

Im September hatte ich mir von einem jüdischen Schneider, der mir von meinem Geschäft aus, wo ich als Dekorateur arbeitete, besonders empfohlen wurde, einen Anzug machen lassen. Er war auch sehr preiswert und kostete nur 60 Reichsmark. Ich konnte ihn sogar in drei Monatsraten bezahlen. Darum machte ich mich am 8. November nach Geschäftsschluss auf den Weg zu meinem Schneider, um die letzte Rate zu bezahlen. Er wohnte in einem ausgesprochenen Judenviertel, nicht weit von meinem Geschäft entfernt. Doch in dieser Straße da war die Hölle los, denn so konnte man es nur nennen, was sich dort abspielte. So zogen Männer der SA, der uniformierten und bewaffneten paramilitärischen Sturmabteilung, wie die Kampf-, Schutz- und Propagandatruppe der Nationalsozialisten genannt wurde, Juden aus ihren Häusern, schnitten ihnen die Bärte und zum Teil auch die Haare ab und schlugen sie mit Schlagstöcken.

Ich konnte nur mühsam bis zum Haus meines Schneiders gelangen, und als ich schon im Treppenhaus war und gerade hinaufgehen wollte, kamen mir mehrere SA-Männer entgegen. Höhnisch lachend zerrten sie meinen Schneider die Treppe hinunter, der sich ja nicht wehren konnte, denn er war schon ein etwas gebrechlicher älterer Mann. Sie zerrten ihn an mir vorbei auf die Straße und auch mich brüllten sie an, was ich wohl in diesem Haus wolle. Ich konnte meine Tränen nicht verbergen und ein unsagbarer Hass stieg in mir auf. Ja, ich schämte mich, dass ich einfach nur dastand und zuschaute, ohne helfen zu können. Aber ich wusste, wenn ich auch nur ein einziges Wort gesagt hätte, hätten sie mich auch mitgenommen. So konnte ich nur sprachlos mit anseh