Das Taxi hatte länger gebraucht als erwartet bis in die abgelegene, finstere Ecke der unteren Lower East Side an der 3. Straße, wo zwischen Backsteinwänden und Feuerleitern der Eingang zu Slugs’ Saloon nicht schwer zu finden war. In dem Augenblick, als wir den Saal betraten, wurden die Lichter ausgeschaltet, legten die Musiker los mit kreischenden, klagenden, schrillen Tönen, nur die schwachen Bühnenscheinwerfer halfen uns, in dem nicht sehr großen Kneipenraum den letzten oder vorletzten freien Tisch in den hinteren Reihen anzusteuern, während die Ohren beschossen wurden von Getröte, Gezirpe, Gehämmer, Gejaule, als sollten wir mit dieser Folge von Dissonanzen gleich abgeschreckt, des Saales verwiesen und wieder zurück Richtung Exit getrieben werden –
Das musst du jetzt aushalten, das wirst du aushalten, sagte ich mir, als wir uns gesetzt hatten, die beiden Freunde und ich, der ihnen gefolgt war, mach gute Miene, lehn dich zurück und hör einfach zu oder hör weg, das hältst du jetzt aus. Fünf Musiker auf der schmalen Bühne, einer mit Saxophon, einer mit Trompete, einer am Schlagzeug, ein Bassist und ein Geiger, fünf Männer prügelten mit ihren Instrumenten auf meine Hörnerven ein, und ich dachte nur, lehn dich zurück und hör einfach zu oder hör weg –
Musik war das nicht, aber was sollte das sein, wenn es keine Katzenmusik war, das naheliegende Wort, das einem Laien und einfallsarmen Zuhörer wie mir schon bei den ersten Takten in den Kopf gerutscht war, eine böse und trotzdem treffende, kaum zu bestreitende Bezeichnung für das Zirkusgetöse, die verstörenden und schmeichelnden Töne, die schrille Verweigerung von Harmonien und Melodien, für den Schock, den ich fühlte, und die Schockwellen, die sich weiter steigerten. Ich sah, wahrscheinlich mit fragenden und, wie ich hoffte, nicht allzu schülerhaft hilfesuchenden Augen, auf die beiden Freunde neben mir, die mich ermutigten mit zustimmendem Grinsen zu diesem Schallüberfall und mit lechzender Aufmerksamkeit, fast schon bereit zum ersten rhythmischen Wippen der Köpfe, die Freunde hatten mich gewarnt –
Ob das noch Musik sei, ob da oder da der Jazz aufhöre oder ganz neu anfange, ob das richtige Musik sei, ob es richtigen Jazz überhaupt gebe und geben dürfe, hatten die beiden Experten beim Frühstück am vorletzten Tag unserer newyorkischen Reise diskutiert, der Autor Christoph, der diesen verrückten oder genialen Albert Ayler schon mal in Kopenhagen gehört hatte, und der Redakteur Peter, der beim Sender Freies Berlin irgendwie auch mit Jazz zu tun hatte. An dem Gespräch hatte ich mich nicht beteiligt, hätte mich gar nicht beteiligen können, das Wort Free Jazz sagte mir wenig, der Name Ayler sagte mir nichts, das Lokal Slugs’ Saloon galt meinen Fachleuten als Geheimtipp in verrufener Gegend, und während sie bei Grapefruitsaft und schwarzem Kaffee, bei Rührei mit Speck sich in immer größere Begeisterung und Vorfreude auf das Konzert geredet hatten, war meine Entscheidung gefallen, der Aufforderung der beiden zu folgen und mitzufahren am Abend, mehr von Abwechslungslust gelockt als von gezielter Neugier auf diese Sorte Jazz –
Nach einer Woche der Besichtigungen, U-Bahn-Touren, nach stundenlangen Läufen in Manhattan, mal allein, mal zu zweit oder zu dritt, war ich erschöpft von der Wucht der Eindrücke, der Lebendigkeit der Bilder, von den Kontrasten zwischen Schaufensterglanz, Schäbigkeit und vibrierendem Optimismus, erschöpft vom permanenten Wechsel zwischen der Härte, die einem an den Straßenecken ins Gesicht schlug, und der Freundlichkeit der Leute, die sich von der Berliner Bissigkeit so wohltuend abhob. Fürs Erste hatte ich genug von Wolkenkratzerfernblicken, Musee