Prolog
In meinem letzten Jahr auf dem College bekam ich Magen-Darm-Beschwerden. Völlegefühl, Krämpfe, Blähungen und häufiger Stuhldrang brachten mich dazu, ständig nach der nächstgelegenen Toilette Ausschau zu halten. Ich änderte sogar die Route meiner täglichen Joggingrunde, damit ich schnell eine Toilette erreichen konnte, wenn ich es eilig hatte. Schlau, wie ich war, diagnostizierte ich meine Probleme selbst als bakteriellen Infekt, verursacht vom ParasitenGiardia lamblia, da dieser ganz ähnliche Symptome hervorruft. Logisch betrachtet fand ich das einleuchtend: Ich hatte meine ganzen Collegejahre hindurch viel Zeit mit der Führung von Rucksacktouren verbracht, und eine häufige Ursache für Giardiasis ist die unzulängliche Reinigung von Trinkwasser, was beim Campen durchaus einmal vorkommen kann.
Als ich den Arzt im Gesundheitszentrum für Studenten aufsuchte, teilte ich ihm meine Diagnose mit. Er hielt dagegen: »Haben Sie Stress?« Ich erinnere mich, dass ich so etwa gesagt habe: »Nein, überhaupt nicht. Ich jogge, ich esse gesund, ich spiele im Orchester mit. Es kann überhaupt nicht sein, dass ich Stress habe – all die gesunden Dinge, die ich mache, sollen mich ja davor schützen, in Stress zu geraten!« Er lächelte, gab mir ein Antibiotikum zur Behandlung von Giardiasis – und meine Symptome besserten sich nicht.
Erst später erfuhr ich, dass ich ihm die klassischen Symptome eines Reizdarmsyndroms präsentiert hatte, eine Diagnose, die allein auf Symptomen beruht, »ohne bekannte organische (also körperliche) Ursache«. Mit anderen Worten: Ich hatte eine körperliche Krankheit, die von meinem Kopf verursacht wurde. Ich hätte den Rat »Bring deinen Kopf in Ordnung, dann geht es dir wieder gut« vielleicht beleidigend gefunden, wenn mich nicht ein Ereignis in der Familie zum Umdenken bewogen hätte.
Meine künftige Schwägerin steckte bis über beide Ohren in der Planung eines Riesenfestes, bei dem zwei Ereignisse gleichzeitig gefeiert wurden: der Silvesterabend und ihre Hochzeit. Am Tag darauf war ihr gleich zum Auftakt ihrer Flitterwochen sterbenselend – und nicht, weil sie zu viel Champagner getrunken hatte. Das brachte mich ins Grübeln, und ich überlegte, mit dem Zusammenhang von Körper und Geist könnte es doch etwas auf sich haben. Heute wird diese Denkweise weithin akzeptiert, aber vor einigen Jahrzehnten gehörte sie in die gleiche Schublade wie Händchenhalten und »Kumbaya« singen. Das war nichts für mich. Ich studierte Organische Chemie im Hauptfach und untersuchte die Moleküle des Lebens – mit New-Age-Firlefanz hatte ich nichts im Sinn. Doch nach dieser Hochzeit trieb mich zunehmend die einfache Frage um: Warum werden wir krank, wenn wir gestresst sind?
Und das änderte meinen Lebensweg. Ich trat mit dieser Frage mein Medizinstudium an. Nach meinem Abschlussexamen in Princeton begann ich ein kombiniertesMD-PhD-Programm an der Washington University in St. Louis. Diese Promotionsprogramme sind eine hervorragende Möglichkeit, Medizin und Naturwissenschaft zu verbinden – sich Alltagsproblemen zuzuwenden, mit denen Ärzte täglich zu tun haben, sie im Labor zu untersuchen und bessere Behandlungsmöglichkeiten zu entdecken. Ich nahm mir vor, herauszufinden, wie Stress unser Immunsystem beeinflusst und zu so etwas wie der spontanen Erkrankung meiner Schwägerin gleich nach ihrem großen Tag führen kann. Ich wurde ins Labor von Louis Muglia, einem Experten für Endokrinol