Kapitel eins
Sie war so gut wie tot.
Er würde sie umbringen, ganz bestimmt.
Entsetzt starrte sie auf den Schwangerschaftstest in ihrer zitternden Hand. Ja, sie war definitiv schwanger. Mit wackligen Knien stand sie in der Kundentoilette des Drogeriemarkts vor dem Waschbecken, hob den Kopf und blickte in den Spiegel. Weit aufgerissene, blaue Augen blickten ihr unter den hellblonden Ponyfransen entgegen. Augen, in denen nackte Panik stand.
Du wirst Mutter. Mit siebzehn … Nun, sie würde achtzehn sein, wenn das Baby zur Welt kam.
Ihre Kehle wurde eng, und sie blinzelte gegen die Tränen an. Sie durfte nicht weinen, nicht jetzt. Dafür war später noch genügend Zeit. Schniefend wischte sie sich mit dem Handrücken über die Augen, dann stopfte sie den Schwangerschaftstest in ihre Handtasche und warf die Verpackung in den Mülleimer. Vorsichtshalber zog sie ein paar Papiertücher aus dem Handtuchspender, zerknüllte sie und legte sie obendrauf. So ein Unsinn, schalt sie sich anschließend.Kein Mensch weiß, dass du hier bist. Sie war extra nach Missoula gefahren und hatte den Test gleich hier, im Drogeriemarkt, gemacht, und jetzt würde sie wieder nach Hause fahren.
Was sollte sie nur tun?
Mit brennenden Wangen und dem Gefühl, sämtliche Kunden und Angestellte könnten ihr ihr Geheimnis vom Gesicht ablesen, huschte sie aus der Kundentoilette Richtung Ausgang und wäre beinahe über einen Jungen gestolpert, der die Regale mit Haarspray und Deo auffüllte.
»He, pass doch auf!«, rief er.
»Entschuldige«, murmelte sie und eilte an der Verkaufstheke vorbei, hinter der zwei Apotheker die Kunden mit rezeptpflichtigen Medikamenten bedienten.
Sie stieß die Tür auf und floh hinaus in den Augustsonnenschein. Die Augen gegen die Helligkeit zusammengekniffen, rannte sie über den Parkplatz auf den alten Ford Taurus ihrer Mutter zu und sprang in das aufgeheizte Wageninnere. Sie ließ den Motor an, legte den Rückwärtsgang ein und trat aufs Gas. Hinter ihr gellte eine Hupe. Erschrocken bremste sie. Eine brünette Frau in einem Honda zeigte ihr den Mittelfinger und fuhr vorbei.
Destiny kümmerte das nicht.
Sollte die Tussi doch ausflippen.
Es gab Wichtigeres im Leben.
Schwanger. Du bist schwanger.
O nein.
Ein Baby? Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Wie sollte sie sich um ein Baby kümmern? Ihr Vater wäre ihr mit Sicherheit keine Hilfe. O Gott … ihr Vater. Er war bestimmt stinksauer.
Sie holte dreimal tief Luft, ließ das Fenster hinunter, weil sich die verdammte Klimaanlage mal wieder nicht einschaltete, und fuhr vorsichtig vom überfüllten Parkplatz.
Vielleicht würde sie ihm gar nichts erzählen. Die Schwangerschaft vertuschen, das Kind allein zur Welt bringen … aber wie? Nein, sie konnte ihren Eltern nichts verraten, allerdings würde sich das Baby auch nicht einfach in Luft auflösen, nur weil sie sich das wünschte.
Und eine Abtreibung? Auf keinen Fall. Entschlossen schob sie den Gedanken beiseite. Ihre Cousine hatte eine Abtreibung vornehmen lassen und sich das nie verziehen. Und dann war da auch noch Mom. Wie oft hatte sie betont, dass Destiny nicht nur eine »freudige Überraschung«, sondern eine »Fügung des Schicksals« gewesen sei, weshalb sie nun den Namen »Destiny« – Schicksal – trug! In über zwanzig Jahren Ehe war Helene Montclaire nur ein einziges Mal schwanger geworden, obwohl sie und Destinys Vater Glenn den Herrn um ein Geschwisterchen für ihre einzige Tochter angefleht hatten. Helene war sogar einmal weinend zusammengebrochen, voller Kummer und Verzweiflung, weil sie kein weiteres Kind bekommen konnte.
Undenkbar, dass sie dieses zarte Leben auslöschen würde. Bestimmt gab es eine andere Möglichkeit. Destiny drückte aufs Gas und schaffte es bei Gelb über die Ampel, dann bog sie auf den Highway und fuhr in südlicher Richtung stadtauswärts.
Sie könnte das Baby zur Adoption freigeben, überlegte sie, die Augen gegen die grelle Sonne zusammengekniffen. Ohne das Tempo zu mindern, tastete sie im Handschuhfach mit einer Hand nach ihrer Sonnenbrille, dann schob sie sich die Ray Bans auf die Nase. Vor ihr tuckerte ein schwer beladener Heulaster. Destin