Am 16. Oktober 1850 stehen der einunddreißigjährige Apotheker Theodor Fontane und die sechs Jahre jüngere Emilie Rouanet-Müller-Kummer in der Kirche der Berliner Klosterstraße vor dem Traualtar, und als der Pfarrer die Zeremonie abschließt, findet endlich die quälend lange Verlobungszeit ihr glückliches Ende. Mit der Kutsche fährt man quer durchs alte Berlin in die Bellevuestraße am Tiergarten, wo das gemütliche Lokal von »Georges« die kleine Gesellschaft erwartet. Die Türen des Gartensaals stehen weit offen, und draußen strahlt die Herbstsonne. Er habe viele hübsche Hochzeiten mitgemacht, aber keine hübschere als seine eigene, wird der Bräutigam später einmal bekennen. Und er kann ja tatsächlich zufrieden sein, denn seine temperamentvolle Emilie ist eine attraktive schwarzhaarige junge Frau, und sein Hochzeitsanzug ist vom Honorar für seinen ersten Gedichtband sogar schon bezahlt.
Was dem aufmerksamen heutigen Leser eventuell auffallen könnte, ist der vielteilige Name der Braut, der auf deren wahrlich »romanhafte Lebensgeschichte« hindeutet. Emilie ist nämlich als Tochter der Pfarrerswitwe Thérèse Müller, geborene Rouanet, zur Welt gekommen, und zwar 1824 in Dresden, »heimlich, zu keines Menschen Freude«. Die weitverzweigte Familie Rouanet – das Oberhaupt ist angesehener Stadtkämmerer in Beeskow – transferiert das unerwünschte Baby von einer Station zur nächsten, bis die Dreijährige über eine Anzeige in der »Vossischen Zeitung« von dem Berliner Globen- und Reliefkarten-Hersteller Karl Wilhelm Kummer adoptiert wird.
Kummer wohnt in der Burgstraße, an der Spree und neben dem Schloss. Und dort wächst die Kleine, von Kummers Dienstmädchen eher vernachlässigt als erzogen, ziemlich verwahrlost auf. Sie besucht zwar eine gute Schule, wirkt aber wie eine schmuddelige »Ziegenhirtin aus den Abruzzen«. Diesen Eindruck zumindest macht sie auf ihren Spielkameraden, den halbwüchsigen Apothekersohn Theodor Fontane aus Swinemünde, der seit 1833 im Haus nebenan bei seinem Onkel August lebt und in der Wallstraße in eine Gewerbeschule geht. Doch da führt eines guten Tages Philippine Fontane, Onkel Augusts Frau, eine ehemalige Schauspielerin, die Nachbarskinder zusammen und weckt deren Begeisterung für das Theater, das sie gemeinsam besuchen und zu Hause nachspielen. Diese Leidenschaft scheint die Kinder eng aneinander gebunden und für später geprägt zu haben: Fontane wird lange Zeit als prominenter Theaterkritiker arbeiten, und die vielgelobte Vorleserin Emilie blieb zeitlebens eine passionierte Theater- und Operngängerin.
Aber noch sind unsere Helden im Jugendalter und auf ganz anderen Pfaden. Fontane beginnt 1836 in der Apotheke »Zum Weißen Schwan« in der Spandauer Straße eine pharmazeutische Ausbildung und trifft seine Kinderfreundin wohl nur gelegentlich. 1839 wird sie konfirmiert und erfährt bei dieser Gelegenheit schmerzlich, dass sie gar nicht die leibhaftige Tochter des geliebten Vaters Kummer ist. Im Herbst dieses Jahres heiratet Rat Kummer zum dritten Mal, und das Ereignis soll für die kommende Partnerschaft von Emilie und Theodor von Bedeutung werden, denn Fontane schreibt für seine Freundin ein Huldigungsgedicht auf die neue Frau Kummer, und Emilie trägt es zum Polterabend in Dresden vor – ein erstes bescheidenes Vorspiel für die spätere künstlerisch-handwerkliche Kooperation.
Emilie hält sich in jenen Jahren meist bei Verwandten in Ludwigslust und Schwedt und vor allem bei ihrer mit dem Oberförster Triepcke verheirateten Mutter Thérèse in Liegnitz auf. Parallel dazu setzt Fontane seine Ausbildung unter anderem in Leipzig und Dresden fort, bevor er 1844 wieder in Berlin eintrifft, um seinen Militärdienst als »Einjährig-Freiwilliger« zu absolvieren. Der Kontakt zwischen den beiden scheint nie länger unterbrochen gewesen zu sein, und als Emilie auch wieder in Berlin auftaucht, konnte man, wie sich Fontane erinnert, »den alten Ton gleich wieder aufnehmen«. Dieser »Ton« scheint in ausgiebigen Briefen herzberührend und herzbewegend angeklungen zu sein, und die Buddelkasten-Beziehung wandelt sich in eine erotische Verbindung. Als Fontane am 2. September 1844 eine kurze Nachricht an Emilie formuliert, bemerkt er in einem PS ü