: Joyce Carol Oates
: Pik-Bube Roman
: Verlagsgruppe Droemer Knaur
: 9783426451663
: 1
: CHF 6.50
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 208
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Genie und Wahnsinn: ein Thriller auf höchstem Niveau von Amerikas Literatur-Ikone Joyce Carol Oates Unter dem Pseudonym »Pik-Bube« verfasst der renommierte Schriftsteller Andrew Rush düster-verstörende Thriller. So leicht ihm das Schreiben dieser rauschhaften Gewaltfantasien weit nach Mitternacht von der Hand geht, so verschwommen ist später seine Erinnerung an den Inhalt. Als ein Plagiatsvorwurf Rushs guten Ruf - und damit seine Existenz und seine Familie - bedroht, ist plötzlich »Pik-Bube« mit hinterhältigen Ratschlägen zur Stelle. Und fast gegen seinen Willen beginnt Rush ihnen zu folgen ... »Nur wenige Autoren leuchten die dunkelsten Winkel des menschlichen Geistes derart gekonnt aus.« Seattle Times

Joyce Carol Oates wurde 1938 in Lockport (New York) geboren. Sie zählt zu den bedeutendsten amerikanischen Autorinnen der Gegenwart. Für ihre mehr als siebzig Werke (Romane, Kurzgeschichten, Gedichte, Dramen, Essays, Literaturkritik) wurde sie vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem National Book Award. Joyce Carol Oates lebt in Princeton (New Jersey). Dort ist sie an der berühmten Elite-Universität »Distinguished Professor of the Humanities«, seit 1978 gehört sie der American Academy of Arts and Letters an.

»Pik-Bube«


Es hatte vor fünf Monaten, zwei Wochen und sechs Tagen ganz unschuldig begonnen. Es gab keinen Grund anzunehmen, dass »Pik-Bube« irgendetwas damit zu tun hatte.

Denn niemand hier in Harbourton wusste von »Pik-Bube« – selbst jetzt weiß niemand davon. Kein einziger Mensch, der Andrew J. Rush nahesteht – meine Eltern, meine Frau und Kinder, Nachbarn, langjährige Freunde aus meiner Schulzeit.

Hier, in dieser ländlichen Vorstadtgemeinde in New Jersey, in der ich vor dreiundfünfzig Jahren geboren wurde und wo ich mit meiner lieben Frau Irina seit mehr als siebzehn Jahren lebe, kennt man mich als »Andrew J. Rush« – wohl der bekannteste Einheimische, Bestsellerautor von Krimis und Thrillern mit einem Schuss Horror. (Nur ein Hauch Horror, nicht eklig-fies oder verstörend. Niemals obszön, geschweige denn sexistisch. Frauen werden in meinen Krimis mit Anstand behandelt, abgesehen von ein paarNoir-Einsprengseln. Die Leichen sind in der Regel weiße männliche Erwachsene.) Mit meinem dritten Bestseller in den Neunzigern begannen die Medien mich »Andrew J. Rush, der Stephen King für den Bildungsbürger« zu nennen.

Selbstverständlich war ich geschmeichelt. Die Verkaufszahlen meiner Romane, obwohl nach einem Vierteljahrhundert der Mühen, sind im zweistelligen Millionenbereich, nicht im dreistelligen wie die Stephen Kings. Und obgleich meine Romane in rund dreißig Sprachen übersetzt wurden – (eine ziemliche Überraschung für mich, der nur eine einzige Sprache beherrscht) –, bin ich sicher, dass die Bücher Stephen Kings noch häufiger übersetzt wurden und mit größerem Gewinn. Und nur drei meiner Romane wurden fürs Kino adaptiert (und die Filme rasch vergessen), nur zwei für das Fernsehen (und gewiss nicht von den Premiumsendern) – im Unterschied zu King, dessen Verfilmungen zu viele sind, um sie aufzuzählen.

Was Geld angeht, kann man Andrew J. Rush und Stephen King nicht miteinander vergleichen. Aber wenn man nach Steuern rund dreißig Millionen Dollar verdient hat, hört man einfach auf, überGeld nachzudenken, so wie ein Serienmörder nach ein paar Dutzend Opfern vermutlich aufhört, darüber nachzudenken, wie viele Menschen er umgebracht hat.

(Entschuldigung! Ich glaube, das war eine dieser herzlosen Bemerkungen, die meine liebe Irina mit Sicherheit dazu provozieren würde, mir mahnend gegen den Knöchel zu treten, wie sie es gelegentlich tut, wenn ich in der Öffentlichkeit etwas Unpassendes sage.Ich wollte keinesfalls gefühllos erscheinen, nur einen Witz machen – auf meine unbeholfene Art.)

Wie geschmeichelt auch immer ich von dem Vergleich mit Stephen King war, weigerte ich mich doch, meinem Verlag zu gestatten, dies auf dem Umschlag meines nächsten Romans abzudrucken, ohne die Erlaubnis von King einzuholen; meine Bewunderung für Stephen King – (ja, und mein Neid auf ihn) – machten mich keineswegs blind für die Möglichkeit, dass er dies als beleidigend auffassen könnte und auch als ausbeuterisch. Doch Stephen King schien es nicht im Geringsten zu stören. Berichten zufolge lachte er nur –Wer will schon der Stephen King für Bildungsbürger sein?

(War dies eine herablassende Bemerkung einer literarischen Legende, vergleichbar dem Wegwedeln einer lästigen Fliege, oder einfach die humorvolle Reaktion eines Schriftstellerkollegen? Da Andrew J. R