: Annina T. Hering
: Kinder - oder nicht? Geburten in Deutschland im Spannungsfeld unsicherer Partnerschaften und prekärer Beschäftigung
: Campus Verlag
: 9783593438566
: Schriften aus dem MPI für Gesellschaftsforschung
: 1
: CHF 38.10
:
: Frauen- und Geschlechterforschung
: German
: 269
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
Niedrige Geburtenraten, unsichere Partnerschaften und prekäre Beschäftigung - mit diesen Entwicklungen sieht sich Deutschland seit den 1970er-Jahren konfrontiert. Doch welchen Einfluss haben Unsicherheiten in der Partnerschaft und im Erwerbsleben auf die Geburt des ersten und zweiten Kindes? Diese Studie zeigt zwei notwendige sozialpolitische Konsequenzen auf, um der negativen Geburtenentwicklung entgegenzuwirken: die rechtliche Gleichstellung von Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaft und mehr Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt.

Annina T. Hering, Dr. rer. pol., war wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln, und arbeitet heute als Economist.
& Stabil'. Frauen mit jeweils einem unsicheren und einem sicheren Lebensbereich erfasse ich über die Typen 'Traditionell& Unsicher' sowie 'Modern& Stabil'. Frauen mit Unsicherheiten in beiden Lebensbereichen nenne ich 'Modern& Unsicher'. Dabei beschreibt die erste Eigenschaft die Partnerschaft und die zweite Eigenschaft das Erwerbsleben. Abhängig vom Ausmaß an Sicherheiten und Unsicherheiten in den beiden Lebensbereichen sollten die vier Typen eine unterschiedliche Geburtenwahrscheinlichkeit aufweisen. Wenn möglich, unterscheide ich in den Analysen zwischen West- und Ostdeutschland. Die beiden Regionen sind durch verschiedene Entwicklungen in der Familie und Partnerschaft sowie auf dem Arbeitsmarkt geprägt, die auch über fünfundzwanzig Jahre nach dem Mauerfall fortbestehen (Goldstein et al. 2010; Klüsener und Goldstein 2016; Schneider, Naderi und Ruppenthal 2012). Einerseits liegt die Erwerbsorientierung von ostdeutschen Müttern über der von westdeutschen Müttern (BMFSFJ 2014; Goldstein und Kreyenfeld 2011, 457; Goldstein et al. 2010, 11-12, 29; Statistisches Bundesamt 2010; Wanger 2009, 11) und auch der Anteil nichtehelicher Geburten fällt in Ostdeutschland größer aus (Statistisches Bundesamt 2016b). Andererseits sind die ostdeutsche Wirtschaft und der ostdeutsche Arbeitsmarkt durch eine geringere Wirtschaftsproduktivität sowie höhere Arbeitslosigkeit geprägt und stärker von befristeten Beschäftigungen, Zeitarbeit sowie Niedriglohn betroffen (Blien und Phan thi Hong 2015; Walwei 2009). 1.2 Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze Die Untersuchungen basieren auf den Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Das SOEP wird vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) seit 1984 als jährliche Haushaltsbefragung erhoben (Wagner, Frick und Schupp 2007). Ich betrachte die Erhebungswellen 1995 bis 2012 für die Familiengründung sowie die Erhebungswellen 1995 bis 2011 für die Geburt des zweiten Kindes. Ich nutze nur die Erhebungswellen ab 1995, da erst ab dieser Welle die Befristung der Beschäftigung für alle Erwerbstätigen ermittelt wird und nicht, wie in den Vorwellen, nur für Personen, die den Job gewechselt haben. Dabei konzentrieren sich die Analysen auf Frauen, die zwischen 1970 und 1994 geboren wurden. Ich beschränke die Analysen auf diese Kohorten, da ich primär auf in den Befragungswellen erhobene Informationen zurückgreife, die nicht retrospektiv ermittelt wurden. Das Alter, in dem Frauen eine Familie gründen oder erweitern, fällt für die ausgewählten Kohorten zum größten Teil in meinen Beobachtungszeitraum von 1995 bis 2012. Eine Frau wird dann in die Stichprobe aufgenommen, wenn die Geburt des ersten oder des zweiten Kindes in den genannten Beobachtungszeitraum fällt. Ich nutze zeitdiskrete Ereignisanalysen, um die Übergänge zum ersten und zweiten Kind zu analysieren. Ich habe zunächst untersucht, welchen Einfluss Unsicherheiten in der Partnerschaft auf die Geburt des ersten und zweiten Kindes haben. Dabei betrachte ich den Partnerschaftsstatus differenziert für westdeutsche und ostdeutsche Frauen. Wie erwartet, zeigt sich für beide Landesteile eine höhere Wahrscheinlichkeit der Geburt eines ersten Kindes für verheiratete Frauen. Überraschend ist der Befund, dass der Unterschied im Geburtenverhalten zwischen den beiden Partnerschaftsformen Ehe und nichteheliche Lebensgemeinschaft bei der Geburt des zweiten Kindes verschwunden ist. Da die Dauer der Partnerschaft keinen Einfluss auf die Geburtenentscheidung von Frauen in nichtehelichen Lebensgemeinschaften hat, hat sie sich wider Erwarten als ungeeignet erwiesen, um die Heterogenität im Geburtenverhalten nichtehelicher Lebensgemeinschaften zu erklären. Eine Annäherung des Geburtenverhaltens nichtehelicher Lebensgemeinschaften an dasjenige verheirateter Frauen über die Dauer der Partnerschaft ist nur eingeschränkt zu beobachten. In den weiteren Analysen habe ich den Einfluss von Unsicherheiten im Erwerbsleben auf die Geburt des ersten und zweiten Kindes untersucht. Im Ergebnis zeigt sich, dass befristete Beschäftigungen einen negativen Einfluss auf die Familiengründung haben können. Dieser ist allerdings abhängig von der Dauer der befristeten Beschäftigung, dem Partnerschaftsstatus, der Region und von den Sorgen um das Erwerbsleben. Befristete Beschäftigungen haben einen unterschiedlichen Einfluss auf die Familiengründung verheirateter Frauen und Frauen in nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Die Differenzierung zwischen kurzen Befristungsepisoden und längeren Befristungsketten ist an dieser Stelle relevant: Verheiratete Frauen gründen häufiger eine Familie, wenn sie unbefristet beschäftigt sind, als wenn sie sich gerade im ersten Jahr der Befristung befinden. Ein zentraler Befund dieser Arbeit ist, dass im Kontext der institutionellen Absicherung durch die Ehe instabile Arbeitsmarktlagen ausgeglichen werden können: Das heißt, verheiratete Frauen mit drei oder mehr Jahren befristeter Beschäftigung weisen wieder eine höhere Wahrscheinlichkeit der Familiengründung auf als erst sehr kurz befristet beschäftigte, verheiratete Frauen. Einen völlig anderen Umgang mit Unsicherheiten im Erwerbsleben haben Frauen in nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Die eigene Arbeitsmarktpositionierung scheint für diese Frauen eine zentrale Rolle zu spielen, da sie mit zunehmender Dauer der befristeten Beschäftigung die Familiengründung aufschieben. Kurze Phasen befristeter Beschäftigung haben auf Frauen in nichtehelichen Lebensgemeinschaften keinen signifikanten Einfluss. Insgesamt zeigt sich nur für westdeutsche Frauen ein Einfluss befristeter Beschäftigung auf die Geburt des ersten Kindes. Die Analysen haben verdeutlicht, dass eine prekäre Beschäftigung sowohl einen ne