1. KAPITEL
Tristan Quinn schaltete einen Gang herunter, als er in dem silbernen Cabrio die schmale Kurve der Landstraße entlangfuhr. Das Sonnenlicht fiel durch die Bäume, die links und rechts der Straße standen. Nur hin und wieder passierte er Holzschilder, die auf Hütten oder Ferienwohnungen hinwiesen, die sich tiefer im Wald befanden.
Er atmete tief durch, genoss den frischen Wind und die warme Sonne auf seinem Gesicht. Manchmal war er sich nicht mehr sicher, warum er eigentlich Anwalt geworden war – abgesehen natürlich von dem vielen Geld, das er verdiente. Er hätte genauso gut Bauarbeiter oder Straßenbauer werden können, dann müsste er jetzt wenigstens nicht in einem engen Büro ausharren und könnte jeden Tag das Wetter genießen, die warmen Sommertage, aber auch die bittere Kälte, die der Winter in Minneapolis mit sich brachte.
An diesem Morgen war er im Auftrag eines Klienten unterwegs. Als er die Gelegenheit bekommen hatte, hatte Tristan sich den Fall sofort gesichert. Allerdings hatten die Kollegen, die bisher noch nicht daran gearbeitet hatten, sowieso keine Lust auf einen Fall gehabt, bei dem man den ganzen Tag im Freien sein musste – für Tristan jedoch war genau das der Grund gewesen, ihn zu übernehmen.
Er war bereits früh morgens mit einem beträchtlichen Berg an Unterlagen in seinem Aktenkoffer in Richtung Nordwesten aufgebrochen. Heute wollte er sein Glück versuchen und endlich eine Einigung in dem vertrackten Grundbesitzfall herleiten, der sich schon seit drei Jahren hinzog. Die meisten Anwälte seiner Firma hatten sich bereits die Zähne daran ausgebissen, doch für ihn war dies der erste Versuch. Es war seine Chance, den Partnern zu zeigen, dass er es draufhatte.
Es ging um ein unglaublich schönes Fleckchen Erde, das eine Stunde von der Stadt entfernt an einem kleinen und völlig klaren See lag – einem der letzten noch verbliebenen unberührten Seen in dieser Gegend – und dementsprechend für jeden Immobilienmakler Gold wert war.
Das Land war seit den 1950ern im Besitz der Pigglestone-Familienstiftung, und seitdem wurde darauf eine Künstlerkolonie geführt. Doch nun wollte die jüngste Generation der Familie das Land verkaufen, und dafür musste sie ihre drei alten Tanten loswerden, die schon immer in der Kolonie gelebt hatten. Die Papiere waren längst aufgesetzt und den Damen übermittelt worden, die die gerichtlichen Anordnungen jedoch einfach ignorierten.
Zwar gefiel Tristan der Gedanke nicht, drei alte Frauen aus ihrem Zuhause zu vertreiben, doch immerhin hatten die Partner ihn mit einer außergewöhnlich hohen Entschädigungssumme ausgestattet – mit der die Frauen sich beinahe überall auf der Welt in ziemlich luxuriösen Verhältnissen niederlassen konnten. Auch wenn vor ihm schon andere an diesem Auftrag gescheitert waren, war sich Tristan sicher, dass er den Fall in ein oder zwei Tagen beenden konnte und als Gewinner zurückfahren würde. Immerhin verdrehte er der Damenwelt den Kopf, seit er denken konnte.
„In zweihundert Metern rechts abbiegen.“
Er warf einen Blick auf sein Navi und runzelte die Stirn. Er hatte schon seit einer Weile keine Straßenschilder mehr gesehen und vermutete langsam, dass er sich verfahren hatte. Kurz darauf meldete sich die Stimme jedoch schon wieder. „In einhundert Metern rechts abbiegen.“
Er verlangsamte seine Fahrt und hielt nach einem Schild Ausschau. Doch bis auf das satte Grün des Waldes war nichts zu erkennen. „In zwanzig Metern rechts abbiegen.“
Plötzlich erschien jedoch tatsächlich eine enge Seitenstraße zu seiner Rechten, und Tristan musste hart bremsen, um die Ausfahrt nicht zu verpassen. Kein Schild oder sonst irgendein Hinweis machte darauf aufmerksam, wohin die Straße führte. Doch da er die Adresse direkt von seinem Chef hatte, vertraute er auf ihre Richtigkeit.
Während er tiefer in den Wald fuhr, wurde die Straße immer enger, bis sie nur noch so breit war, dass er mit seinem Wagen gerade noch darauf Platz hatte. Langsam bog Tristan um eine Kurve, als er plötzlich jemanden vor sich auf der Straße stehen sah. Abrupt stieg er in die Bremsen.
Die Frau hatte ihre Arme hoch über den Kopf nach oben gestreckt, die Finger weit gespreizt. Sie stand ganz still, nur ihr Haar wehte im Wind. Sie trug eine weite Baumwolltunika, die bis kurz über ihre Knie reichte, sonst nichts. Tristan betrachtete sie wie gebannt und ließ seinen Blick über die sinnlichen Kurven ihres Hinterns wandern, die sic