2. KAPITEL
Max zog die Frau hoch und registrierte erstaunt, wie klein sie war und wie leicht. Selbst in ihren hochhackigen Stiefeln reichte sie ihm gerade bis zur Brust.
Sie klopfte sich ab und schaute zu Boden. „Sie haben Ihr Buch fallen lassen.“ Ehe er sie aufhalten konnte, hob sie schon das Taschenbuch von Rebecca St. Claire auf und gab es ihm. „Sie lesen Liebesromane?“
Max spürte, wie er errötete. „Eigentlich nicht. Noch nicht, jedenfalls. Ein Freund gab es mir und meinte, es lohne sich, einen Blick hineinzuwerfen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es wirklich tun werde.“
Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht, und als sie ihn ansah, vergaß Max das Buch. Plötzlich fühlte er sich, als seier gerade hingefallen. Er betrachtete ihre großen braunen Augen, die makellose helle Haut, die zarten Gesichtszüge und ihre sinnlichen Lippen. Die Vorstellung von ihrem braun gelockten Kopf zwischen seinen Schenkeln und diesen wundervollen Lippen, die sich um sein Glied schlossen, stieg vor ihm auf. Erregung durchflutete ihn.
„Sie sollten es ruhig versuchen. Vielleicht gefällt es Ihnen sogar.“
Er steckte das Buch wieder ein. „Ja, vielleicht lese ich es tatsächlich.“ Er nahm ihre Tüten und führte die Frau vom belebten Bürgersteig zu einer Bank vor einem verschneiten Abschnitt des Stadtparks. Er stellte die Tüten auf die Bank und sagte: „Sie sind hart gestürzt. Sind Sie wirklich nicht verletzt?“
„Nur mein Stolz.“ Sie klopfte sich den Mantel ab. „Und ich dachte, dieser Tag könnte nicht schlimmer werden.“ Sie überprüfte ihre Einkaufstüten.
„Ich hatte auch nicht gerade den besten Tag“, gestand er ihr aus irgendeinem Grund.
Sie warf ihm einen Seitenblick zu. „Darf ich Sie fragen, welches Sternzeichen Sie sind?“
„Stier“, antwortete er perplex.
„Aha, das ergibt Sinn.“ Sie musterte ihn. „Was stand in Ihrem Horoskop?“
„In meinem Horoskop? Ich … Ich weiß nicht. Das lese ich nie.“ Er hielt Astrologie für New-Age-Blödsinn, aber da er an diesem Tag schon genug Leute verärgert hatte, verkniff er sich jede Bemerkung.
„Ich lese meines täglich online. Ein heimliches Vergnügen, sozusagen. Warum auch nicht? Ich bin übrigens Waage – Sie wissen schon, die Waagschalen, Symbol für die ewige Suche nach Gleichgewicht und Gerechtigkeit und … na ja, Partnerschaft.“ Beim letzten Wort schien sie zu zögern. „Der Januar soll angeblich voller Neuanfänge und Chancen sein, was Liebe und Beruf angeht. Die Fortbewegung ist anscheinend ein weiteres Gebiet, auf dem es nicht gut läuft für mich.“ Sie sah über die Schulter. „Das Taxi habe ich wohl verpasst, was?“
„Sieht ganz danach aus“, bestätigte er. „Tja, dann werde ich mich mal wieder auf den Weg machen.“
„Oh nein! Nein!“ Erschrocken griff sie in die offene Einkaufstüte und holte einen in Einwickelpapier eingeschlagenen roten hochhackigen Schuh aus Seide heraus.
„Was ist denn los?“
„Mir fehlt ein Schuh. Der andere muss herausgefallen sein, als ich gestürzt bin.“ Sie wickelte den Schuh aus dem Papier und hielt ihn Max hin. Das perlenbesetzte Medaillon obendrauf funkelte im schwächer werdenden Licht dieses Wintertages. „Was soll ich jetzt bloß machen? So kann ich sie schlecht zurückbringen, und mit einem Schuh kann ich nicht herumlaufen.“
„Bei Aschenbrödel hat es funktioniert.“ Er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal einen Scherz gemacht hatte. Auch wenn dieser Versuch recht lahm war, tat es gut.
„Sehr witzig. Wenn Sie wüssten, wie viel die mich gekostet haben, würden Sie nicht mehr lachen.“
Er setzte ein ernstes Gesicht auf. „Designerschuhe?“
„Ja, ich war im Kaufrausch.“
„In dem Fall – halt die Kutschenpferde an, Cinderella. Ich bin gleich wieder da.“
Er machte sich dort auf die Suche, wo sie gestürzt war. Auch wenn die Chancen schlecht standen, wollte er es versuchen. Nachdem er unter einen Brezelwagen gespäht und zwischen Turnschuhen und Pudelpfoten gesucht hatte, wollte er schon aufgebe