»Mama, es klingelt…«
»Dann mach doch bitte auf, aber frag erst, wer da ist!«
Marcia wusch den Rest des Shampoos aus den Haaren und schlang sich ein Handtuch um den Kopf. Sie beschloß wieder einmal, sich die wilde goldene Mähne abschneiden zu lassen, lange Haare waren einfach zu unpraktisch. Meistens blieb es allerdings bei diesem Vorhaben. Im Grunde liebte sie ihre schönen Haare doch.
»Mama, der Mann will zu dir!« hörte sie Lisa rufen.
Mann? Welcher Mann?
»Ich komme. Er soll draußen warten!«
Zu spät. Lisa hatte ihn bereits in den Flur gelassen. Als Marcia jetzt aus dem Badezimmer kam, stand er ihr gegenüber. Seine blauen Augen blitzten amüsiert.
Marcia wurde rot. Er war recht attraktiv, und sie sah sicher furchtbar aus, denn bestimmt war ihre Wimperntusche aufgeweicht und malte dunkle Streifen auf ihre Wangen.
»Entschuldigen Sie mein Eindringen. Ich wollte mich gern kurz vorstellen. Arne Wegemann, ich bin der neue Hausverwalter, den Gräfin von Schönau für ihre Häuser beauftragt hat.«
»Oh… äh… angenehm…«, stotterte Marcia und ärgerte sich maßlos über ihre Verlegenheit. Normalerweise war sie nicht auf den Mund gefallen. Aber wer konnte denn schon damit rechnen, einen so attraktiven Man an einem normalen Montag vormittag in seiner eigenen Wohnung wiederzufinden? Normalerweise kam um diese Zeit höchstens der Briefträger, und der war alles andere als attraktiv und dazu nicht einmal freundlich.
»Tja… also, ich lasse Ihnen meine Karte hier, Frau Stadler. Wenn es irgendwelche Probleme gibt, können Sie mich in Zukunft ansprechen, damit sie schnell behoben werden.«
»Das ist gut. Der Hausmeister hier hat sich ja wirklich um nichts gekümmert.«
»Eben. Deswegen sind wir jetzt auch zuständig. Gibt es vielleicht schon etwas, das ich wissen sollte?«
»Im Moment…«
»Mama hat Ärger mit meinem Papa«, unterbrach Lisa mit wichtiger Miene.
Marcia wäre gern im nächsten Mauseloch verschwunden, doch es gab hier leider keines. Sie warf ihrer Tochter einen wütenden Blick zu, aber Lisa war sich keiner Schuld bewußt. Wie sollte sie auch? Für eine Fünfjährige war die Welt noch in Ordnung. Sie sprach aus, was sie dachte, und kannte keine Hemmungen.
Arne Wegemann lächelte Lisa an und räusperte sich, um ihr eine Antwort zu geben. Marcia fand es an der Zeit einzugreifen, bevor Lisa noch mehr Intimitäten ausplaudern konnte.
»Schon gut. Entschuldigen Sie, Herr Wegemann, Lisa ist immer ein bißchen… spontan.«
»Das ist doch schön. Ich kenne das von meinem Sohn. Tobias ist fünf.«
Natürlich, so ein Mann wie er hatte Familie und war in festen Händen. Marcia begrub den Gedanken, daß ihre Begegnung vielleicht vom Schicksal gelenkt worden wäre. Sie glaubte immer noch an Wunder, wahrscheinlich würde sie nie klüger. Aber ihre Freundin Julia unterstützte sie ja auch ständig darin. Julia und ihre Liebesromane…
»Gut, dann wenden Sie sich also vertrauensvoll an mich oder meine Mitarbeiter, wenn Ihnen etwas einfällt, was Sie geregelt haben möchten. Ich werde dann mal weitergehen. Und entschuldigen Sie die Störung.«
»Gern. Danke, meine ich…«
Sie reichten sich die Hand. Einen Ring trug Herr Wegemann nicht.
»Mama, der war aber nett!«
Marcia warf einen Blick in den Flurspiegel. Natürlich, ihre Wimperntusche war verlaufen! Und ihre Locken kringelten sich wild unter dem Handtuch hervor. Einen schönen Eindruck mußte Arne Wegemann von ihr haben! Doch im Grunde war es natürlich egal, denn sie würde ihn ja sowieso nicht wiedersehen.
»Mama? Bist du böse auf mich?«
»Wie? Nein, natürlich nicht. Aber du mußt trotzdem keine Sachen über Papa und mich erzählen. Das geht Herrn Wegemann nichts an.«
»Er hat doch gefragt, ob du…«
»Das bezieht sich doch nur auf unsere Wohnung, Schätzchen.«
»Ach so… Aber du mochtest ihn doch auch?«
»Ja, er ist nett. Wir müssen gleich Lasse abholen. Ziehe dir schon mal die Schuhe an.«
»Deine Haare sind doch naß. Du sagst immer…«
»Ja, ich weiß, aber zum Fönen ist es zu spät. Sonst sollte man natürlich nicht mit nassen Haaren rausgehen.«
»Morgen darf ich auch wieder in den Kindergarten, ja?«
»Ja, mein Schatz. Morgen bist du sicher wieder ganz gesund.«
Lisa hüpfte auf einem Bein in ihr Zimmer zurück. Sie