Es ist halb neun, ich bin die Letzte, mich beißen die Hunde. Ich bin seit Wochen jeden Abend die Erste, die geht, und jeden Morgen die Letzte, die kommt, und das fällt auf, denn ich muß klingeln.
In der Tür steht Dieter, unser Kleiner, fünfundzwanzig und frisch von der Schule. Eigentlich haben wir solche nicht gerne, sie suchen Lösungen für Probleme, die wir längst unter den Tisch gekehrt haben. Aber Dieter lernt schnell. Die Frage des Zuspätkommens hat er gleich begriffen: wer länger arbeitet, hat mehr zu sagen. Also sagt er: Ich hätte dich gerne gefragt, aber du warst nicht da! denn er hat meine Schlagzeile geändert. Die dritte in vier Wochen.
Ich könnte auf den Tisch hauen und laut werden, das würde er begreifen. Ich könnte von sieben bis sieben Uhr arbeiten und ihm über die Schulter sehen, das erwartet er. Es gibt Verhaltensmuster für solche Fälle, ich passe in keines. Ich schließe die Tür hinter mir.
Es gibt etwas, das heißt Teamarbeit, und sie fanden es dufte. Weil sie mehr Freiheit haben, freute ich mich, und dann nahmen sie sich die Freiheit, mir den Job zu nehmen. Eine Gruppenleiterin, die Schwächen zeigt, leitet nicht mehr. Man erwartet, daß sie Perfektion vermittelt, in jeder Minute, und ich bin eine schlechte Schauspielerin. Wenn ich sage: Das weiß ich nicht!, findet sich immer einer, der tut, als ob er es wüßte. Darum geht es, nicht um das Wissen, und mein Fehler ist, daß ich dabei nicht mitbieten kann.
Trotzdem habe ich es weit gebracht, für eine Frau. Du kannst zufrieden sein, sagen die Freunde. Mit Neunundzwanzig habe ich die Grenzen meiner Möglichkeiten erreicht. Da ist der Mixquirl, der sich in drei Teile zerlegen läßt,mit einem Handgriff, ich sage:der Trick mit dem Knick, praktisch und schick!, denn dafür werde ich bezahlt, und gar nicht schlecht. Oder diese Art von Schränken mit aufgeklebten Kunststoffleistenim altdeutschen Stil, was jeden Kunsthistoriker in tiefe Ratlosigkeit stürzt, ich sage:ein zeitlos schönes Stück, an dem Sie lange Freude haben, und stehe neben mir und sehe mir beim Schreiben zu. Und bitte im Text keine Fragewörter. Feststellungen, Positiva, keine Verneinung.
Aber keiner kann pausenlos positiv sein. Der Chef hat gemeint, sagt Nikolaus, du solltest diesen Text aggressiver fassen. Was hat der Nikolaus mit Text zu tun, wo er doch keinen Satz ohne Rechtschreibfehler zustande bringt, muß er auch nicht, dafür kann er zeichnen, da macht Nikolaus in seinem Gesicht alles rund, Augen, Mund und Nasenlöcher und sagt: Ich dachte, ich sollte ihn fragen, ob ihm der Text nicht zu langweilig ist.
Wenn ich Nikolaus ganz fest ansehe, wird er vom Halsansatz her langsam rot. Wenn ich ihm in dem genau richtigen Tonfall, gemischt aus Ruhe, Strenge und Sachverstand, eine Anweisung gebe, führt er sie aus. Man kann mit Nikolaus arbeiten, aber man darf unter keinen Umständen so unaufmerksam sein, wie ich das in letzter Zeit bin.Immer am Ball bleiben ist seine Lieblingsphrase. Leider ist der Vorrat an Bällen begrenzt, es scheint sogar nur einen zu geben, und weil auch Nikolaus an dem einen dranbleiben will, tritt er allen auf die Füße, drängelt sich vor, stößt den anderen zur Seite und haut ihm gelegentlich einen über. Ich sage zu Nikolaus: Kümmere dich um deinen eigenen Kram! und im Grun