: Gabriele Wohmann
: Wanda Lords Gespenster / Rendezvous
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783688106998
: 1
: CHF 11.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 122
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine Schriftstellerin und ihr Mann machen kuriose Erfahrungen mit einer Fernsehinterviewerin; ein scheinbar unerfreuliches Kind sorgt gerade dadurch für die Moral: Voll subtiler Beobachtungen und von treffsicherem Spott wie ihre Romane und Erzählungen sind auch die Hörspiele und Drehbücher Gabriele Wohmanns.

Gabriele Wohmann, geboren am 21. Mai 1932 in Darmstadt als Tochter eines Pfarrers, studierte Philologie und arbeitete als Lehrerin in einem Internat. Sie veröffentlichte zunächst unter ihrem Mädchennamen Gabriele Guyot den Erzählungsband «Mit einem Messer» (1958). Es folgten Gedichtbände, zahlreiche Romane und Erzählungen, Hör- und Fernsehspiele. Gabriele Wohmann erhielt mehrere Preise und Stipendien. Sie starb am 22. Juni 2015 in Darmstadt.

Das Rendezvous


Fernsehfilm

PERSONEN

Albert Vogel-Spring

Anna Vogel-Spring

Hermann Herzer

Frau Herzer

Hiddi Herzer

Elsbeth Vogel

Lisbeth Vogel

Edwin Gust

Mia

Onkel Trieb

Pflegerin

Verkäuferin

Kneipenwirtin

Kneipengast

Speisesaalkellnerin

Hotelportier

Freunde, Bekannte (Partygäste und Lesungspublikum)

Dichter

Streichquartett

Männerstimme (im Zug)

Passagier

Ladenbesitzerin

1. einkaufende Frau

2. einkaufende Frau (mit Kind)

Gruppe spielender Kinder (im Wald)

Gruppe spielender Kinder (im Vorstadtgelände)

Passanten

***

Eine vorstädtische, leere Straße mit kleinen Läden und Kneipen. Eine nicht schlecht gekleidete Frau nähert sich, Anzeichen der Unruhe und der Unsicherheit in der Art, wie sie geht: als wolle sie nicht wahrgenommen werden. Sie wirkt auf den ersten Blick disparat in dieser Umgebung, die Neugier und die Mißbilligung, mit denen ein Bierfahrer ihr nachsieht, bekräftigen das. Die Frau: Anna. Sie betritt ein schäbiges kleines Café, in dem man (eine Frau hinter der Theke, Wirtin oder Kellnerin, und ein über die Theke gebeugter Gast) sie offenbar kennt. Anna tarnt ihr Unbehagen nun mit versuchter Leutseligkeit, die aber von den beiden andern nicht akzeptiert wird.

 

ANNAaufstöhnend, lächelnd, sich auf einen Stuhl fallen lassend, sie kopiert das, was sie sich unter einer Frau vorstellt, die in dies Café und zu den beiden an der Theke passen würde:

Ich trink wieder meinen Korn – lacht auf, bricht ab, erkennt den Mißerfolg ihrer Werbung.

Der Mann diesseits der Theke hat sich erstaunt und abschätzig nach ihr umgesehen. Die Frau zuckt die Achseln und richtet mit träger Indifferenz das Glas mit dem Korn, bringt es an Annas Tisch; ihr Ausdruck, mit dem sie Anna ohne Neugier prüft, ist bescheidwissend-mitleidig. Sie bleibt eine Weile am Tisch stehen, blickt herab. Anna, deren Lächeln und Korntrinken nochmals in der Frau die Kollaborateurin suchen, gibt schließlich auf und wendet sich gereizt dem Inhalt ihrer Tasche zu. Sie holt ein Notizbuch heraus, blättert, notiert etwas, streicht etwas anderes durch. Die Frau beobachtet sie ohne die geringste Scham, es hat aber auch nicht das geringste mit Neugier zu tun.

FRAU,Wirtin oder Kellnerin:

Und der Herr – Ihr Freund? Kommt er noch?

ANNAverwirrt, schwankend zwischen Ärger und dem Elan, sich erneut anzubiedern:

Wieso? Natürlich –

FRAUnickt, blickt unentwegt auf Anna herunter:

Trinkt er wieder Tee, wenn er kommt?Sie sieht zum Mann an der Theke hin, ihr schwerfälliges Gesicht bewegt seine Muskeln zu einem spöttisch-belustigten, aber nicht bösartigen Ausdruck.

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