Kopftuch und Lebenslust
In meiner Kindheit kamen mir häufig schwarz vermummte Frauen und streng dreinblickende Sittenwächter in den Sinn, wenn ich an Iran dachte. Doch inzwischen sieht es anders aus. Die Kopftücher sitzen immer lockerer und rutschen weiter nach hinten. Häufig sind sie nur noch ein Modeaccessoire und werden von den Frauen ganz elegant über die hochgesteckten Frisuren gelegt. Die Mäntel werden kürzer, modischer und vor allem bunter. Die Natur hat die Iranerinnen großzügig mit Reizen bedacht und sie verstehen sich zur Schau zu stellen. Röhrenjeans unter hautengen Überwürfen sind keine Seltenheit mehr. Die Kopfbedeckung ist zwar noch Pflicht, aber die Regeln haben sich gelockert. So dürfen die Frauen inzwischen auch Fahrrad fahren, was im Jahre 2002 noch verboten war. Damals flogen mein Mann und ich auf Hochzeitsreise nach Iran. Während dieser Reise lernten wir die Studentin Maryam und ihren Freund Reza kennen. Es war nach langer Zeit wieder meine erste Reise in meine „zweite Heimat“. Damals regierte Präsident Chatami das Land. Ein eher gemäßigtes Staatsoberhaupt, das versuchte, die Islamische Republik liberaler zu gestalten. Zweimal war er Präsident des Landes (1997–2005). Eine überwältigende Mehrheit hatte ihn damals gewählt, 75 Prozent bei der ersten, 60 Prozent bei der zweiten Wahl. Als er 1997 vom Volk gewählt wurde, gaben mehr als 20 Millionen Iraner dem religiösen Reformer ihre Stimme. Chatami sprach von einer modernen Interpretation des Islams und gab das Versprechen von Freiheit und Demokratie im Rahmen der iranischen Verfassung. Jugendliche und beson