1. Kapitel
Clare fuhr durch den Märzregen zu dem Haus, das einmal ihr gehört hatte. Das Haus, aus dem sie ausgezogen war, als sie sich von ihrem Ehemann trennte. Sie fühlte sich ein bisschen schuldig, weil dies ein weiterer von ihren sehnsüchtigen nächtlichen Streifzügen war zurück zu all dem, was sie vermisste. Allerdings unternahm sie diese Touren nur, wenn sie wusste, dass Roger nicht da war. Wobei sie diesmal eine Geburtstagskarte dabeihatte, die sie ihm dalassen wollte.
Vielleicht war sie zu nett zu Roger, wie ihr gemeinsamer Sohn Jason behauptete. Denn ihre Schwestern ärgerten sich auch darüber, wie nachsichtig sie mit ihm war. Vielleicht sollte sie wirklich versuchen, ein bisschen härter zu sein. Vielleicht hatten alle recht – Roger verdiente ihre Rücksichtnahme nicht, und sie benahm sich wie ein Idiot.
Aber heute war Rogers vierzigster Geburtstag, und er tat ihr ein bisschen leid. Er hatte eindeutig ein Problem mit dem Älterwerden, was für ihn typisch war. Das hatte er jedenfalls gesagt. Also hatte Clare, ganz die verständnisvolle zukünftige Ex-Frau, ihm angeboten, ihn an seinem Geburtstag zum Abendessen zu bekochen. Das hätte Roger außerdem die Gelegenheit gegeben, etwas Zeit mit dem gemeinsamen Sohn zu verbringen – was Roger sich wünschte, aber Jason eher nicht. Doch Roger hatte erklärt, er sei geschäftlich unterwegs und werde den Abend irgendwo in einer anderen Stadt allein im Hotel verbringen müssen.
Es war wahrscheinlich besser, dass das mit dem Abendessen nicht geklappt hatte, denn Jason war immer noch wütend auf seinen Vater. Clare hatte ihn regelrecht zwingen müssen, die Geburtstagskarte zu unterschreiben, die sie auf dem Küchentresen liegen lassen wollte, damit Roger sie nach seiner Rückkehr finden würde. Sie hätte sich gewünscht, dass Jason sie begleitete, aber wie sich herausstellte, war das Unterschreiben der Karte das Äußerste, wozu er bereit gewesen war.
Bevor sie Jason bei seinem Freund Stan abgesetzt hatte, hatte er zu ihr gemeint: »Du wirst wieder mit ihm zusammenkommen, oder?« Seine Stimme hatte so giftig geklungen, dass sie es nicht gewagt hatte, ihm zu antworten. Was dazu führte, dass er sich bestätigt fühlte. »Also ja!«
»Nein!«, hatte sie daraufhin behauptet. Und dies so vehement gesagt, wie sie konnte. »Aber ich denke, es wäre gut für uns alle – vor allem für dich –, wenn wir gut miteinander zurechtkämen.«
»Ich will nicht mit ihm zurechtkommen! Ich hasse ihn!«
Ihr Magen krampfte sich zusammen, wenn sie Jason so reden hörte.
Doch Roger hatte sich das selbst zuzuschreiben und sonst niemandem. Er war so naiv gewesen zu glauben, dass er seine Seitensprünge für immer vor seinem Sohn geheim halten könnte und nur Clare unter seinen Eskapaden zu leiden hätte. Aber er hatte es sich mit Jason verscherzt, und das war schlimm. Für Vater und Sohn.
Jason war vierzehn. Auf dem Weg zum Mann. Noch kämpfte er mit der Pubertät, seine Sommersprossen wichen Pickeln, seine große Erscheinung mit den großen Füßen wirkte tapsig und linkisch. Und er war z