1. KAPITEL
„Jungfrau in Nöten hier!“ Chaney, die sich mit einer schweren Kiste abmühte, warf einen Blick auf die antiken Rüstungen, die im großen Rittersaal von Abbotsford Castle standen. „Hey, ihr heldenhaften Ritter, könnt ihr mir vielleicht helfen?“
Die glänzenden Rüstungen standen in Reih und Glied, die Waffen zur Hand, doch keine rührte sich.
Die Geschichte ihres Lebens. Chaney lachte.
Okay, sie hatte zwar nicht das Happy End erlebt, das sie sich mal vorgestellt hatte, aber sie konnte sich auch nicht beschweren. Es kam nicht oft vor, dass man auf Spesen nach London fliegen und in einem luxuriösen Schloss wohnen durfte. Doch Chaney arbeitete hier drei Tage lang als Aufnahmeleiterin für eine angesehene Kabelkanal-Show.
Justin, ihr Chef, hatte ihr gesagt, dies wäre genau die Art von praktischer Erfahrung, die sie vorweisen müsste, um eine Chance auf die angestrebte Beförderung zu haben. Deshalb hatte sie Urlaub genommen und war nach England gekommen.
Diese Gelegenheit hatte sie Gemma zu verdanken, ihrer Freundin und früheren Mitbewohnerin. Chaney sollte dafür sorgen, dass die Dreharbeiten zuTummelplatz der Milliardäre, einer Sendereihe über Urlaubsziele der Superreichen, problemlos verliefen. Vor allem musste sie darauf achten, dass die Zeitvorgaben und das Budget eingehalten wurden.
Die Kiste voller elektrischer Geräte fing in Chaneys schweißnassen Händen an zu rutschen. Ihre Arme schmerzten unter dem Gewicht, und die Brille rutschte ihr über die Nase. Chaney fasste nach, aber das brachte nicht viel.
„Darf ich Ihnen helfen, Mylady?“, fragte da eine Männerstimme hinter ihr.
Der walisische Akzent kam ihr bekannt vor. „Danke.“ Sie stützte die Kiste auf ihrem gebeugten Knie ab. „Ich hätte mir einen Rollwagen nehmen sollen.“
„Sie gestatten?“
Über die Schulter blickte sie ihren Retter an. Ein Mann in Kettenhemd, schwarzem Leder und Plattenharnisch an Schultern, Oberkörper und Beinen ging auf sie zu. Drake Llewelyn. Chaney raubte es den Atem. Er sah aus wie ein Ritter der Tafelrunde von König Artus. Nicht wie ein Milliardär, dessen neuestes Lieblingsprojekt diese Urlaubsshow seines Kabelkanals war, die er teilweise selbst moderierte.
Zugegeben, der Look stand ihm gut. Nur ist Drake Llewelyn leider kein edler Ritter mit nobler Gesinnung, dachte Chaney. Geschmeidig und kraftvoll wie ein Athlet kam er auf sie zu, ohne dass die Rüstung seinen Gang im Geringsten verlangsamte.
O nein, das Kostüm bedeutete offenbar, dass er die jetzige Folge doch selbst moderierte, obwohl ursprünglich jemand anders dafür vorgesehen war.
„Hallo, Chaney.“
Der warme Ton seiner Stimme ging ihr unter die Haut. Drake nahm ihr die Kiste ab, als wäre sie federleicht.
Chaney schob sich