: Georg von Wallwitz
: Meine Herren, dies ist keine Badeanstalt Wie ein Mathematiker das 20. Jahrhundert veränderte
: Berenberg Verlag GmbH
: 9783946334286
: 1
: CHF 17.40
:
: Mathematik
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ordnung muss sein. Beim Baden schön nach Geschlechtern getrennt, doch in der Wissenschaft zählt nur, was auf der Tafel steht. Jedenfalls für den Mathe­matiker David Hilbert, der die brillante Emmy ­Noether in Göttingen als Professorin durchsetzen wollte. Nicht nur damit war er seiner Zeit voraus - er rechnete mit Albert Einstein die Formel aller Formeln durch, versammelte in den zwanziger Jahren die klügsten internationalen Mathematiker und Physiker seiner Zeit - und musste sie nach 1933 in die USA ziehen lassen. Für die moderne Naturwissenschaft hat David ­Hilbert denselben Stellenwert wie Picasso für die Kunst. Und unsere digitale Welt?? Ohne den Mann nicht denkbar. Georg von Wallwitz erzählt von diesem Leben und der Schönheit der Mathematik, verständlich, mit Witz - und Fußnoten für Fortgeschrittene.

Georg von Wallwitz, geboren 1968 in München, studierte Mathematik und Philosophie in England und Deutschland. Als selbständiger Fondsmanager und Mitinhaber einer Ver­mögensverwaltung lebt er in München. Bei Berenberg erschienen 'Odysseus und die Wiesel. Eine fröhliche Einführung in die Finanzmärkte' (2011) und 'Mr. Smith und das Paradies. Die Erfindung des Wohlstands' (2013).

Non omnis moriar

Horaz,Oden 3,30

2. Ungehaltener Nekrolog


David Hilberts Beerdigung muss als verunglückt gelten. Er war schon zum Zeitpunkt seines Todes unstreitig der bedeutendste Mathematiker seiner Zeit, also für sein Fach das, was Einstein für die Physik darstellte. Aber die Welt hatte, als er am 14. Februar 1943 starb, andere Sorgen. Das friedliche Dahinscheiden eines 81-jährigen Mathematikprofessors in Göttingen war ein entschieden undramatisches Ereignis in einer Zeit, in der ein jedes Leben in Europa und Asien jederzeit gewaltsam enden konnte. Die Trauergemeinde war überschaubar, sie bestand allenfalls aus einem Dutzend Personen, den letzten Relikten eines zehn Jahre zuvor untergegangenen goldenen Zeitalters.

Da Hilbert schon lange keiner Kirche mehr angehört hatte, fand die Zeremonie im Wohnzimmer im Erdgeschoss seines Hauses in der gutbürgerlichen Wilhelm-Weber-Straße statt. Der große Raum blickte in einen winterlichen Garten. Der angestaubten Einrichtung merkte man das Alter der Bewohner und die fortgeschrittene Erblindung der Hausfrau deutlich an.

Arnold Sommerfeld, neben Max Planck der Doyen der in Deutschland verbliebenen Physiker und mit 81 Nominierungen so oft wie kein anderer für den Nobelpreis vorgeschlagen, war aus München gekommen und hielt eine kurze, unbeholfene Ansprache auf den hohen Toten, die sich im Wesentlichen auf eine Aufzählung von dessen akademischen Leistungen beschränkte. Constantin Carathéodory, ein im Osmanischen Reich aufgewachsener Mathematiker, vielleicht der wichtigste von den in Deutschland verbliebenen, ließ sich entschuldigen, schickte aber einen kurzen Nachruf. Sein kurzer Text, ebenfalls kein großer Wurf, wurde unter Tränen verlesen und handelte immerhin am Rande von Hilberts Persönlichkeit.

Die Grabredner hatten einen verlässlichen Freund vom Schlage eines ostpreußischen Bauern verloren, zugleich aber auch den Mentor der gesamten mathematischen Naturwissenschaften. Über das Wichtigste im Lebenslauf des Toten konnte freilich kaum geredet werden. Das nämlich waren die endlosen Gespräche auf den immer gleichen Wanderungen, die Hilbert mit seinen Studenten, Assistenten und Kollegen unternommen hatte. Dabei war ein einzigartiges Netzwerk entstanden, in welchem Logik, Mathematik, Physik und Philosophie so eng wie nie zuvor miteinander verwoben waren. Die w