: Wolfgang Schmidbauer
: Du verstehst mich nicht! Die Semantik der Geschlechter
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783688105144
: 1
: CHF 10.00
:
: Partnerschaft, Sexualität
: German
: 304
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Alle träumen wir davon, einen Partner zu finden, mit dem wir uns verstehen und der uns versteht. Doch wie oft endet die schönste Partnerbeziehung mit dem gegenseitigen Vorwurf: «Du verstehst mich nicht!» Der Psychoanalytiker und Paartherapeut Wolfgang Schmidbauer leuchtet hier die (meist unbewußten) Hintergründe aus, die Frauen und Männer so oft aneinander leiden lassen. Wer dieses Buch liest, versteht sich selber besser und wird so wieder fähiger zum Verstehen des geliebten Partners. «Denn vor allem», sagt Schmidbauer, «sollte man nicht aufhören zu lieben, wo man nichts mehr versteht und sich nicht verstanden fühlt. Die Menschen sind so verschieden, ihre Verständigungsmöglichkeiten so begrenzt, daß es sehr kalt wird in der Welt, wenn wir die Fackel nicht auch dorthin weitertragen, wo uns kein Licht mehr entgegenkommt.»

Wolfgang Schmidbauer wurde 1941 geboren. 1966 promovierte er im Fach Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universitä München über «Mythos und Psychologie». Er lebt in München und Dießen am Ammersee, hat drei erwachsene Töchter und arbeitet als Psychoanalytiker in privater Praxis. Neben Sachbüchern, von denen einige Bestseller wurden, hat er auch eine Reihe von Erzählungen, Romanen und Berichten über Kindheits- und Jugenderlebnisse geschrieben. Er ist Kolumnist und schreibt regelmäßig für Fach- und Publikumszeitschriften. Außerdem ist er Mitbegründer der Münchner Arbeitsgemeinschaft für Psychoanalyse und der Gesellschaft für analytische Gruppendynamik.

Einleitung


Vor sechs Jahren schrieb ich ein Buch über «Die Angst vor Nähe». Der Titel war nicht neu. Ich hatte ihn bereits in einer früheren Arbeit über «Helfen als Beruf» als Kapitelüberschrift verwendet, um Merkmale des Verhaltens der sozialen Professionen zu beschreiben. Für einen Text über die Beziehungen zwischen Mann und Frau, der auf Ratschläge verzichtet und sich in dem Grenzgebiet psychotherapeutisch-sozialpsychologischer Überlegungen bewegt, ist die «Angst vor Nähe» erstaunlich viel gelesen und mit gelegentlich unzweideutigen Absichten verschenkt worden. Meine Leserinnen (mehr als die Leser) reagierten oft heftig und für mich unerwartet auf das Buch. Sie fanden es fordernd, zum Teil bedrückend, zu scharf formuliert, unbarmherzig.

Dank meiner Doppelexistenz als Autor und Analytiker gerate ich gelegentlich in die verwirrende, aber aufschlußreiche Situation, Beziehungen untersuchen zu können, welche eine Leserin oder ein Leser zu einem Buch von mir aufnimmt. Viel eingehender als in Rezensionen oder in Gesprächen mit Freunden möglich, erfahre ich dann, auf welche Weise sich Text und Erleben verwoben haben, welche meiner Absichten ich erreiche, welche von mir nicht intendierten Folgen eintreten. Solche Erlebnisse erzeugen eine Mischung aus Neugier und Skepsis. Sie belehren über die Schwierigkeiten, fremde Theorie in eigene Praxis umzusetzen. Mir fallen dann Metaphern ein, wie jene von den Gedanken, die – wie unsere Kinder – zwar durch uns zustande kommen (was wir uns, genaugenommen, möglicherweise ebenfalls nur einbilden), dann aber eigene Wege gehen, so daß wir sie schließlich kaum mehr wiedererkennen.

In der «Angst vor Nähe» suchte ich die landläufige Gegenüberstellung von Männern, die Beziehungen scheuen oder abweisen, und Frauen, die sie sehnsüchtig suchen, durch Beispiele zu überwinden, wie beide Geschlechter in gleicher Weise durch gesellschaftliche Prozesse, vor allem durch ein auch in die Intimsphären vordringendes Leistungsdenken, in ihren Gefühlsmöglichkeiten unter Druck geraten. Die «Symbiosekriege» zeigten illusionäre Erwartungen, destruktive Abhängigkeit und Schuldzuweisungen vonbeiden Seiten. Männer wie Frauen rangen um Liebesbeweise und rechneten einander das Versagen vor, eine «gute Beziehung» aufzubauen. Obwohl skeptisch gegenüber Ratschlägen und Botschaften, hatte ich doch eine Absicht: angesichts des Anpassungs- und Verwöhnungsdrucks, den die Konsumgesellschaft auf zunehmend isolierte Individuen ausübt, Sensibilität für erschwerte Liebes-Bedingungen zu wecken, Paare zu ermutigen, öfter Gnade vor vermeintliches Recht zu setzen.

Von den meisten Grundthesen über die «Angst vor Nähe» bin ich nach wie vor überzeugt. Aber in mindestens einem Punkt scheint es notwendig zu differenzieren. In der Sehnsucht nach Gleichheit, nach einer idealen, alle anderen ausschließenden Beziehung, nach Treue und Verläßlichkeitunterscheiden sich Frauen von Männern. Die Auseinandersetzung mit der Arbeit von Psychoanalytikerinnen (Nancy Chodorow, Jessica Benjamin und Christa Rohde-Dachser, um nur einige zu nennen) und Linguisten (David Graddol, Joan Swann, Deborah Tannen) verknüpfte sich schrittweise mit Beobachtungen aus Einzelanalysen und Paartherapien zu dem Bild, das in dieser «Semantik der Geschlechter» gezeichnet wird. Vielleicht können wir heute, dank der fortschreitenden politischen Gleichstellung von Männern und Frauen, wieder freier über ihre psychologischen Unterschiede nachdenken und müssen uns nicht mehr von solchen Betrachtungen abwenden, weil sie ein Abweichen der Frauen von einem männlichen Standard implizieren.

Ich selbst habe mich während dieser Arbeit in einigen Punkten kr