Ein zerrissenes Land
An einem eisigen Novembertag im Jahr 1964 kam ich in Kermanschah im Westen des Iran in einem Militärkrankenhaus zur Welt. Mein Vater erfuhr erst später davon. Er war, wie so oft, als Offizier unterwegs.
Die Armee war direkt dem Schah unterstellt und sein wichtigstes Instrument, um seine großen politischen Ambitionen zu verfolgen. Modern und schlagkräftig sollte sie sein. Nachdem mein Vater die Offizierslaufbahn eingeschlagen hatte, wurde er zum Studium nach Amerika geschickt. Er sprach perfekt Englisch und war ein vielseitig gebildeter Mann. Zurück in der Heimat wurde er selbst Ausbilder und reiste ständig im Land umher. Alle zwei Jahre zog er mit unserer gesamten Familie an einen anderen Militärstützpunkt. Auf diese Weise sah ich viel von meinem Heimatland und lernte die unterschiedlichsten Orte kennen. Allerdings hatte dieses Nomadendasein auch einen entscheidenden Nachteil: Es gab keinen Ort, an dem ich mich wirklich zu Hause fühlen konnte, und ein Teil von mir blieb stets heimatlos. Als dann die Islamische Revolution alles, was mir bis dahin vertraut gewesen war, auf den Kopf stellte, sollte ich vollends den Boden unter den Füßen verlieren.
Der Iran ist ein großes Land, größer als Spanien, Frankreich, Deutschland und England zusammen, und er ist ein Vielvölkerstaat. Nur die Hälfte seiner Einwohner sind Perser, 20 Prozent der Einwohner sind Aseris (Aserbaidschaner), den drittgrößten Bevölkerungsanteil stellen die Kurden mit etwa 10 Prozent. Darüber hinaus gibt es aber auch Araber, Turkmenen, Afghanen, Armenier und Assyrer.
Während der Zeit des Kalten Krieges versuchte dieses zerrissene Land, seine nationale Identität zu finden und sich äußerer Einflüsse zu erwehren.
Als ich geboren wurde, war Schah Mohammad Reza Pahlavi bereits seit 23 Jahren das Staatsoberhaupt des Iran. Die Verfassung sah eine konstitutionelle Monarchie vor, doch sein politischer Ehrgeiz ging weit darüber hinaus. Das führte zu einem seltsamen Widerspruch: Auf der einen Seite zeigte er sich sehr modern und westlich orientiert. Auf der anderen Seite sah er sich selbst in der Tradition der alten persischen Kaiser.
Als Kind hatte ich ein glorifiziertes Bild des Schahs. Seine dunkle Seite kannte ich nicht. Der Herrscher auf dem Pfauenthron war in meiner kindlichen Wahrnehmung ein guter Mann. Er sorgte dafür, dass es meinem Vater und meiner Familie gut ging. Er wollte Wohlstand und Bildung für sein Land. Auch im westlichen Ausland war er sehr beliebt. Während seiner Ehe mit der schönen Soraya war das persische Kaiserpaar ein bevorzugtes Thema in der deutschen Boulevardpresse. Nicht ganz unschuldig daran war wohl die Herkunft der jungen Kaiserin, die mütterlicherseits deutschstämmig war. Der verschwenderisch-exotische Hofstaat des Kaisers faszinierte die Menschen, brachte ihm allerdings später auch zunehmend Kritik ein. Da die Ehe kinderlos blieb, wurde sie Ende der Fünfzi