Kapitel 2
a. d. 715 | Franken
Zwei Tage zuvor | Freitag
Edo begab sich vom hinteren Ende des Zuges zum vorderen. Die Männer waren unerwartet stehen geblieben. Er passierte den zweirädrigen Karren, der von einem Maultier gezogen wurde und Chrodigildis beherbergte.
An der Spitze des Zuges stand Onno mit Luebbo und Edzard zusammen, alle drei offenbar in ein Gespräch vertieft.
Edzard hatte sich als Führer bewährt. Auf sicheren und ebenso geheimen Wegen hatte er Onno und die Seinen zu Chlothars Gutshof geführt. Und als die Männer mit der ohnmächtigen Chrodigildis aus der verborgenen Pforte ins Freie zurückgekehrt waren, hatte Edzard bereits mit dem Karren gewartet und sie sofort wieder in die Wälder geführt. Dort taten sie seither ihr Bestes, um es den Verfolgern möglichst schwer zu machen, den Entführern auf den Fersen zu bleiben. Sie nutzten Bachläufe und steinigen Untergrund, um keine Spuren zu hinterlassen, und sie machten ihre Fährte im hohen Gras und Schlamm unkenntlich, so gut es ging. Auch im Dunkeln gingen sie weiter und legten möglichst spät Nachtruhe ein.
Edo malte sich immer wieder aus, wie die Verfolger kostbare Zeit aufwenden mussten, um die Spur nicht zu verlieren. Doch der Gedanke beruhigte ihn nur wenig. Er wusste, Chlothar würde es niemals hinnehmen, dass Onno seine Tochter geraubt hatte, und der Frankenfürst würde seine Leute bis zum Äußersten treiben, um Chrodigildis zu befreien.
Außerdem war der Karren hinderlich und langsam. Da Onno aber darauf bestand, dass Chrodigildis den weiten Weg nicht zu Fuß zurücklegen musste, hatten sie keine andere Wahl. Insgeheim freute es Edo, dass Chrodigildis nicht laufen musste. Ein solides Weidengeflecht umgab den Aufbau des Karrens. Darin hatte man es ihr möglichst bequem gemacht und außerdem ein rundum geschlossenes Dach aus Tuch errichtet, das sie vor Sonne und Regen schützte – und vor den neugierigen Blicken der Menschen, denen man begegnete.
Gerade sah Edzard direkt in Onnos Augen, als ob er auf etwas wartete. Onno wiederum sah Luebbo an.
»Warum halten wir?«, fragte Edo.
»Ich halte es für eine gute Idee«, meinte Luebbo.
»Was ist eine gute Idee?«, hakte Edo nach.
»Wir teilen uns vorübergehend auf.«
Edo verstand, dass Luebbo ihm keine ausreichende Erklärung geben wollte, und zog die Augenbrauen zusammen. Er war es gewohnt, dass man ihn nicht ernsthaft in Beratungen und Entscheidungen einbezog, und meistens störte es ihn nicht. Diesmal allerdings wollte er zumindest wissen, worum es ging, und erwartete eine Auskunft.
Onno seufzte. »Edzard schlägt vor, dass wir uns in zwei Mannschaften aufteilen und von hier aus in unterschiedliche Richtungen weitergehen, um Chlothar zu verwirren.«
»Halbe Mannschaft ist auch halbe Schlagkraft«, meinte Edo mit einem Seitenblick auf ihren Führer.
Onno ignorierte den Einwand. »Vor uns in östlicher Richtung soll es einen kleinen Fluss geben, den wir bequem zu Fuß durchqueren können«, erklärte er. »Am jenseitigen Ufer marschiert die eine Mannschaft na