: Yngra Wieland
: Der Tanz der Schäfflerin Historischer Roman
: Burgenwelt Verlag
: 9783943531466
: 1
: CHF 4.40
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: Historische Kriminalromane
: German
Eine historische Geschichte von Verrat, Verlust, Hoffnung und Liebe! München im Jahre 1634 - Jakoba, die Tochter des Schäfflermeisters Wilhelm Neuburg, erlebt als kleines Mädchen den Schäfflertanz nach einer Bedrohung durch die Pest als überwältigendes Ereignis. Fortan hat sie keinen sehnlicheren Wunsch, als einmal diesen traditionellen Tanz der Fassmacher mitzutanzen. Doch dies ist ausschließlich den Gesellen der Zunft erlaubt. Als in München erneut die Pest ausbricht, überredet Jakoba ihren Vater dazu, den Schäfflertanz wieder aufleben zu lassen, um den Menschen Mut zu machen, wie es schon ihre Ahnen taten. Unerlaubt beobachtet sie, wie die Gesellen proben, übt im Geheimen die Schritte und Abfolgen. Doch die boshafte Bäckerstochter Agnes, die es auf Jakobas Verlobten Quirin abgesehen hat, verrät sie. Für ihr lästerliches Verhalten wird die Schäfflertochter der Hexerei bezichtigt. Jakoba bleibt schließlich nichts anderes übrig als zu fliehen. Auf der Flucht lernt sie den Schäfflergesellen Sylvester kennen, der mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen hat. Gemeinsam beschließen sie, Jakobas Traum vom Tanz der Schäffler wahr werden zu lassen. Koste es, was es wolle... Yngra Wieland eröffnet den Lesern mit ihrer tragischen und mitreißenden Geschichte um die Heldin Jakoba faszinierende Einblicke in die Tradition der Schäffler und das Leben in München im siebzehnten Jahrhundert. Mit einem Vorwort von Christian Baumann (Fachverein der Schäffler Münchens)

Leidenschaft spielte im Leben der in München lebenden Autorin Ynga Wieland schon immer eine bedeutende Rolle. Sie studierte klassischen Tanz, führte eine Galerie und arbeitete für das Fernsehen, bevor sie sich als Heilpraktikerin für Psychotherapie selbständig machte. Mit dem gleichen inneren Feuer brennt die Autorin heute für historische Ereignisse, die ihre Leser zum Schäfflertanz oder an geschichtsträchtige Handlungsorte führt. Und weil Leidenschaft keine Grenzen kennt, schreibt sie darüber hinaus Fantasy für Kinder, zeitgeschichtliche Romane und Ratgeber.

Der Aufmarsch

 

München, 12. August, im Jahre des Herrn 1634

Aus der Narrenkeuche erklang der Schrei eines dort Angeketteten, hallte grausig über den Hof und jagte Jakoba trotz der Hitze einen Schauer über den Rücken. Die feinen Härchen in ihrem Nacken stellten sich auf. Sie schauderte, rieb sich fest die Arme, um das Gefühl zu vertreiben. Der Schrei verwehte und endete in lang gezogenem Wimmern, hinterließ eine böse Ahnung in der Sommerluft.

 

Die Augustsonne hatte ihren höchsten Stand erreicht. Erbarmungslos brannte sie vom Himmel herunter in den Innenhof des Heilig-Geist-Spitals und verwandelte ihn in einen Backofen. Der Platz wurde an der einen Seite von der Heilig-Geist-Kirche, an der anderen vom Weiberspital und der vorderen Spitalküche eingefasst, in der für die begüterten Pfründner gekocht wurde. Das Heilig-Geist-Spital war ein riesiger Komplex und Jakoba fühlte sich manchmal, als befände sie sich in einer Stadt in der Stadt. Sie liebte die Lebendigkeit dieses Ortes.

Ihr Blick wanderte zur Heilig-Geist-Kirche, ein Längsbau mit mächtigem Satteldach und glatten Wänden, deren Eingang im Innenhof lag. Das Gotteshaus strahlte in seiner Einfachheit eine ruhige Würde aus, die Jakoba ein Gefühl von Geborgenheit vermittelte. Neben den Benefiziantenhäusern, in denen die Geistlichen lebten, die für die reichen Bürger täglich die Messe lasen, und den Siechenhäusern gab es eine Gebärstube für Frauen ohne Unterkunft, eine Mühle, eine Bäckerei, eine Badestube und sogar eine Brauerei.

Jakoba stemmte die Fäuste ins Kreuz und stöhnte. Ihr Rücken schmerzte höllisch. Die letzten Stunden hatte sie damit verbracht, in dem großen Bottich die Kleidung der Waisenkinder zu waschen und auszuwringen.

Sie beugte sich über die Lauge und betrachtete ihr verzerrtes Spiegelbild. Bernsteinfarbene Augen blickten ihr grimmig entgegen, das Kinn war angestrengt nach vorne geschoben, die glatte Haut von der Hitze gerötet.

Verstimmt über den Anblick schlug sie auf die Wasseroberfläche, sodass ihr Gegenüber sich in kleinen Laugenwellen auflöste. Sie richtete sich auf und streckte sich ächzend. Eine Strähne hatte sich unter ihrer Haube hervorgeschmuggelt und kitzelte sie am Hals. Ungeduldig stopfte sie die Haare unter die Kopfbedeckung zurück, als sie Pater Martin durch das Tor eilen sah. Der sonst besonnen einherschreitende Gottesmann wirkte aufgeregt und voll Sorge.

Zwei Männer, zwischen sich eine Bahre, folgten ihm und verschwanden auf Pater Martins Wink eilig im Spital.

Im nächsten Augenblick kam Mina, eine junge Magd, aus Leibeskräften schreiend über den Hof gerannt. Sie verhedderte sich in ihrem Rock, taumelte und stürzte vor Jakoba zu Boden.

»Wir werden alle sterben! Der Schwarze Tod ist in der Stadt!«

Jakoba starrte sie an. Eiseskälte kroch ihr den Rücken hinauf.

»Die Bäckerswitwe, die Gebhartin Marie aus der Sendlingerstraße, haben sie ins Rauchhaus im Spital gelegt! Es ist die Pest, die Pest ist ausgebrochen!«

Das Grauen stand Mina ins Gesicht geschrieben, die Augen weit aufgerissen, schrie der speichelfeuchte Mund unaufhörlich die entsetzlichen Worte heraus.

Jakoba hätte am liebsten die Hände über die Ohren gelegt, doch sie konnte sich vor Entsetzen nicht rühren.

»Sie sagen, dass der Schwarze Tod von den Soldaten aus Burgund kommt. Man rechnet mit dem Schlimmsten! Die Pest ist wieder in der Stadt!«

Die Magd kam ungeschickt auf die Füße, stolperte weiter, ihre Stimme überschlug sich, keine Worte, nur noch Kreischen.

 

Jakoba stand wie festgewachsen, ihr Atem ging schwer. Während der letzten Jahre war der Schwarze Tod ein häufiger Gast in München gewesen und die Menschen von außerhalb, die in die Stadt reisen mussten, wurden oftmals verspottet, sie hätten mit dieser Reise einen sich