TEIL 1 - KAPITEL 2
Zweites Kapitel
Wie ein Sturmwind brauste durch das Städtchen die erschütternde Nachricht: »Der Zar ist gestürzt!«
Niemand wollte es glauben.
Einem im Schneegestöber langsam herankeuchenden Zug entstiegen zwei Studenten, die Gewehre über den Mänteln, und eine Abteilung revolutionärer Soldaten mit roten Armbinden. Sie verhafteten die Bahnhofsgendarmen, einen alten Oberst und den Chef der Garnison. Jetzt endlich glaubte man es im Städtchen. Tausende von Menschen wälzten sich durch die verschneiten Straßen zum Marktplatz.
Gierig lauschten sie den neuen Worten: »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.«
Die unruhigen Tage voller Lärm, Aufregung und Begeisterung vergingen. Im Städtchen trat wieder Ruhe ein, und nur die rote Fahne auf dem Gebäude der Stadtverwaltung, in dem sich die Menschewiki und Sozialrevolutionäre festgesetzt hatten, zeugte von der eingetretenen Veränderung. Alles Übrige war beim Alten geblieben.
Gegen Ende des Winters wurde ein Gardekavallerieregiment in dem Städtchen einquartiert. Allmorgendlich ritt die Truppe schwadronsweise zum Bahnhof, um die von der Südfront geflüchteten Deserteure abzufangen.
Die Gardekavalleristen waren alle große, baumstarke Kerle mit satten Gesichtern. Die Offiziere, zumeist Grafen und Fürsten, hatten goldene Epauletten, silberne Biesen an den Reithosen, alles genauso, wie es unter dem Zaren gewesen war — als hätte es nie eine Revolution gegeben.
So verging das Jahr neunzehnhundertsiebzehn.
Für Pawel, Klimka und Serjosha Brusshak hatte sich nichts geändert. Ihre Herren waren die gleichen geblieben. Erst im regnerischen Monat November schien irgendetwas Ungewöhnliches vor sich zu gehen. Neue Leute tauchten auf dem Bahnhof auf, zumeist Soldaten aus den Schützengräben; sie trugen den seltsamen Namen »Bolschewiki«.
Woher dieser hart und gewichtig klingende Name kam, konnte niemand mit Bestimmtheit sagen.
Den Gardekavalleristen fiel es immer schwerer, den Strom der Deserteure zu stoppen. Immer häufiger zersplitterten die Scheiben der Bahnhofsfenster bei den Schießereien. Viele Gruppen rückten von der Front aus und setzten sich, wenn man sie anhalten wollte, mit Bajonetten zur Wehr. Anfang Dezember strömten schon ganze Truppenverbände zurück.
Die Gardekavalleristen riegelten den Bahnhof ab. Sie glaubten, auf diese Weise die Deserteure aufhalten zu können, aber das Maschinengewehrgeknatter belehrte sie bald eines anderen. Es waren mit dem Tod vertraute Menschen, die aus den Eisenbahnwagen herausstürzten. Die grauen Frontsoldaten jagten die Kavalleristen in die Stadt hinein, vertrieben sie und kehrten zum Bahnhof zurück; und wieder passierten Truppentra