: Hans Weinhengst
: Turmstraße 4
: Edition Atelier
: 9783903005846
: 1
: CHF 13.50
:
: Hauptwerk vor 1945
: German
: 200
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Alles könnte so einfach sein für Martha und Karl, doch das Leben legt ihnen nur Steine in den Weg. Während sie unter ihrem gewalttätigen Vater leidet, findet er seit Jahren keine Arbeit und kann seine Eltern und Geschwister nicht unterstützen. Die Gründung einer gemeinsamen Familie rückt ohnehin immer mehr in die Ferne, sie leiden Hunger und Kälte, die Not scheint kein Ende zu nehmen. So wie dem jungen Paar geht es vielen Menschen in Wien zu Beginn der 1930er-Jahre. Die beiden fassen schließlich einen folgenschweren Entschluss. 'Turmstraße 4' ist eine ungeschönte und herzzerreißende Sozialstudie der Arbeiterklasse, die neben bitterer Verzweiflung auch Hoffnung zeigt.

Hans Weinhengst, 1904 in Niederösterreich geboren, 1945 in Berlin gestorben, war im Widerstandskampf der österreichischen Arbeiter gegen den Faschismus aktiv und ein führendes Mitglied der sozialistischen Esperanto-Bewegung. Er publizierte Lyrik und Prosa und übersetzte Arbeiterlieder in Esperanto. 1934 erschien sein Roman 'Turstrato 4', der nun erstmals in deutscher Übersetzung publiziert wird. 'Schon viel zu oft wurde über die Könige, die Krösusse und andere ?Glückspilze? auf der Sonnenseite des Lebens geschrieben. Aber niemand hat in ausreichendem Maß über die auf der anderen Seite geschrieben. Ich schreibe nicht einfach um zu schreiben, sondern mit meinen bescheidenen Möglichkeiten aufzurütteln, die Welt vernünftiger und gerechter zu machen.' (Hans Weinhengst über 'Turmstraße 4')

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Acht Wochen waren seit Groners Tod vergangen.

Das Leben der beiden Hinterbliebenen, Witwe und Tochter, ging ruhig und ereignislos weiter. Mit anderen Menschen hatten sie jetzt weniger denn je zu tun. Bloß Karl Weber war ein oft und gern gesehener Gast. Nicht nur Martha freute sich über seine Besuche, auch der Mutter wuchs der ruhige, empfindsame Bursche mehr und mehr ans Herz. Er konnte mit zärtlichen Worten Trost spenden, und es gelang ihm, die beiden von ihrer Unschuld an Groners tragischem Tod zu überzeugen, ohne ihnen zu nahe zu treten oder ihre Gefühle zu verletzen. Auch in praktischen Belangen machte er sich mithilfe seiner Kraft und Geschicklichkeit nützlich.

Da Martha ihre Mutter nicht alleine lassen wollte, diese aber nur selten Anlass sah, außer Haus zu gehen, verbrachte Karl, um mit seiner Liebsten zusammen zu sein, ausgiebig Zeit in der Groner’schen Wohnung. So saß er auch eines Samstagnachmittags Martha gegenüber beim Tisch, auf dem verschiedene Handwerksutensilien lagen: Spulen mit isolierten und nicht isolierten Drähten, kleine Holzbretter, Schrauben, Nägel, Schalter und anderes für die Herstellung eines Radioapparates Erforderliche.

Frau Groner war für zwei bis drei Stunden fortgegangen, und die beiden jungen Leute wollten diese Zeit nützen, um sie bei ihrer Rückkehr mit einem selbst gefertigten Radio-Empfangsgerät zu überraschen.

Martha hatte mit ihrem ersparten Taschengeld nach Karls Anweisungen das nötige Material besorgt und dieser hatte ein geliehenes Buch über den Selbstbau von Ra