1. „Wofür soll es denn gut sein?“
Ich fuhr mit fünf von unseren sechs Kindern für ein Wochenende zum Campen in die Berge von Pennsylvania. Meine Frau Jill blieb mit unserer acht Jahre alten Tochter Kim zu Hause. Nach einer katastrophalen Campingerfahrung im Sommer davor war Jill ganz froh, dass sie daheimbleiben konnte. Sie meinte, sie könne ja in der Fastenzeit auf das Campen verzichten.
Als ich vom Campingplatz zu unserem Auto ging, sah ich meine vierzehnjährige Tochter Ashley vor dem Van stehen; sie sah besorgt und aufgewühlt aus. Als ich sie fragte, was los sei, antwortete sie: „Ich habe meine Kontaktlinse verloren. Sie ist weg.“ Ich schaute mit ihr gemeinsam auf den Waldboden, der mit Laub und Zweigen bedeckt war. Es gab eine Million kleiner Ritzen, in die die Linse hineinfallen und verschwinden konnte.
„Ashley, beweg dich nicht“, sagte ich, „lass uns beten.“ Doch bevor ich mit dem Gebet beginnen konnte, brach sie in Tränen aus. „Wofür soll es denn gut sein? Ich habe für Kim gebetet, dass sie sprechen lernt, aber sie spricht nicht.“
Kim leidet unter Autismus und ist entwicklungsverzögert. Aufgrund ihrer schwach ausgeprägten Feinmotorik und Problemen mit der motorischen Abstimmung ist sie außerdem stumm. Nachdem sie fünf Jahre lang zur Sprachtherapie gegangen war, verließ sie eines Tages die Praxis des Therapeuten weinend vor Frustration. „Damit ist jetzt Schluss“, sagte Jill, und wir beendeten die Therapie.
Das Gebet war für Ashley mehr als nur eine leere Formel. Sie hatte Gott beim Wort genommen und ihn darum gebeten, dass Kim das Sprechen lernt. Doch nichts geschah. Kims Stummheit war das Zeugnis für einen schweigenden Gott. Das Gebet, so schien es, wirkte nicht.
Kaum jemand hat den Mut so wie Ashley, diese stille Skepsis und die geistliche Ermüdung zu äußern, die in uns entstehen, wenn ein von Herzen kommendes Gebet nicht erhört wird. Wir verstecken unsere Zweifel sogar vor uns selbst, weil wir nicht wie schlechte Christen klingen wollen. Warum sollten wir uns mit unseren Zweifeln auch noch blamieren? Also verschließen wir unser Herz.
Die leichtfertige Art, wie manche Leute über das Beten sprechen, verstärkt unsere Skepsis häufig noch. Wir beenden ein Gespräch mit den Worten: „Ich nehme dich in mein Gebet hinein.“ Wir besitzen ein ganzes Fachvokabular des Gebets, wie zum Beispiel „Ichbringe dich im Gebetvor Gott“ oder „Ichdenke an dich im Gebet“. Viele, die solche Phrasen verwenden, beten am Ende doch nicht, und zu diesen Leuten gehören wir auch. Warum? Weil wir nicht davon überzeugt sind, dass Beten tatsächlich hilft.
Zweifel und Leichtfertigkeit sind aber nur ein Teil des Pro-blems. Die frustrierendste Erfahrung ist das Beten selbst. Wir halten ungefähr fünfzehn Sekunden durch und dann taucht aus dem Nichts die To-do-Liste des Tages vor unserem ge