1. Das Problem
Als Franks Eltern mich in meiner Sprechstunde aufsuchten, dauerte es nicht lange, bis sie mir ihre Probleme ausführlich schilderten. „Er war so ein guter Junge und benahm sich immer so gut“, klagten sie. „Er schien so zufrieden zu sein und machte uns nie besondere Schwierigkeiten. Wir haben immer darauf geachtet, dass er die richtige Beschäftigung hatte: Pfadfinder, Sportverein, Gemeinde usw. Er zankte sich zwar ständig mit seinem Bruder und seiner Schwester, aber das ist doch wohl nur Eifersucht unter Geschwistern, nicht wahr?
Abgesehen davon war Frank eigentlich ein pflegeleichtes Kind. Nun gut, er ist auch manchmal schlecht drauf und bleibt lange allein in seinem Zimmer, aber er ist nie unhöflich oder ungehorsam oder unverschämt, darauf legen wir großen Wert. Was uns sehr wichtig war bei der Erziehung, war die Konsequenz. Wir haben immer darauf geachtet, dass es Frank bewusst war, was er mit seinem Verhalten verursacht. Wir haben ihm immer erklärt, welche Konsequenzen sein Fehlverhalten haben würde, und haben Bestrafungen auch konsequent durchgezogen. Deswegen sind wir jetzt so ratlos. Wie kann ein Kind, das immer so erzogen wurde, sich auf einmal völlig gehen lassen? Seine Noten in der Schule werden immer schlechter, er sucht den Kontakt zu Jugendlichen, die einen schlechten Einfluss auf ihn haben, die ihn zum Lügen, Stehlen und hemmungslosen Alkoholkonsum überreden. Uns gegenüber verhält er sich in letzter Zeit immer unverschämter und aufsässiger.
Wir haben kein Vertrauen mehr zu ihm. Wir können nicht mehr mit ihm sprechen, und er will nicht mit uns reden. Er ist so widerspenstig und zieht sich völlig in sich zurück. Er sieht uns nicht einmal mehr an. Offenbar will er gar nichts mehr mit uns zu tun haben. Und in der Schule ist er in diesem Jahr auch so schlecht geworden.“
„Wann haben Sie diese Veränderungen an Frank zum ersten Mal bemerkt?“, fragte ich.
„Er ist jetzt 14“, antwortete seine Mutter. „An seinen Zensuren haben wir zuerst etwas gemerkt, das war vor etwa zwei Jahren. Wir beobachteten, wie ihm zuerst die Schule und dann auch andere Dinge immer langweiliger wurden. Er wollte auch nicht mehr zur Gemeinde gehen. Später verlor Frank das Interesse an seinen Freunden und blieb immer mehr allein für