1. Goodbye& Hello
„Fanny bekommt nur einen halben Becher Müsli, auch wenn sie dich ansieht, als wäre sie am Verhungern! Der Trick ist, auf den dicken Bauch zu schauen statt in die großen traurigen Bambi-Augen.“
„Rosa. Ich kenn Fanny doch.“
„Und Sokrates“, fahre ich fort, Daisys Einwurf ignorierend, „hat eine kleine Verletzung über dem Auge, da, siehst du?“
„Die hast du mir doch gestern schon gezeigt! Ich werde zweimal täglich Jodsalbe drauftun. Wie ausgemacht.“
Daisys Blick ist halb mitleidig, halb amüsiert, aber ich rede trotzdem weiter. Ich bin nervös, verdammt nervös, und zwar nicht nur, weil ich meine Babys zurücklassen muss. Obwohl das die ganze Sache natürlich nicht leichter macht. Nur vier Autostunden trennen mich von einer Großmutter, die ich noch nie gesehen habe, und einer Cousine, die ich bisher nur von ein paar Skype-Dates und den Erzählungen meiner Freundin Iris kenne. Die beiden haben sich im Stall kennengelernt. In demneuen Stall, in dem Ginger, Iris’ Fjordstute, jetzt steht, seit Iris mit ihrer Familie aus dem Grillental weggezogen ist. In dieselbe Straße, in der auch eine gewisse Ulrike Hainbach wohnt, deren Namen ich zum ersten Mal auf einem Zettel im Zimmer meiner Mutter gelesen habe. Ich weiß bis heute nicht genau, warum ich das zerknüllte Stück Papier geglättet und behalten habe. Es war nur so ein Gefühl. Meine Mutter ist mir gegenüber immer in allem offen gewesen – was die Krankheit meiner Urgroßmutter anging, ihr angespanntes Verhältnis zu ihrer eigenen Mutter, meiner Nonna, oder unsere oft nicht minder angespannte finanzielle Situation. Nur über eine Kleinigkeit hat sie mich nicht aufgeklärt: die Identität meines Vaters. Zugegeben, lange Zeit hab ich gar nicht gefragt, denn ich war völlig zufrieden mit meinem Leben, so wie es war: mit Mom, meiner Urgroßmutter „Uma“, meinen Pferden (leider sind es nicht wirklichmeine, sie gehören dem Hotel, in dem Mom arbeitet), mit meinem besten Freund Daniel und meinen Freundinnen Iris und Daisy. Und mit meiner Tante Anita, Moms jüngerer Schwester. Alles war schön so, wie es war. Nichts hat mir gefehlt, oder zumindest ist es mir nicht aufgefallen.
Aber dann hat sich Stück für Stück alles verändert. Uma ist krank geworden und brauchte schließlich rund um die Uhr Pflege. Ich besuche sie oft, aber seit sie nicht mehr bei uns wohnt, fehlt ein großes Stück in meinem Leben.
Anita hat sich in einen Koch verliebt und ist mit ihm nach Südfrankreich gegangen.
Dann hat auch noch Iris angekündigt, dass sie wegziehen wird. Und Daniel? Eines Tages war er für mich nicht mehr der Junge, mit dem ich schon im Sandkasten gespielt habe, sondern der Junge mit dem niedlichen Lächeln, der sich auf unnachahmliche Weise durch die Haare fuhr, wenn er verlegen war. Der Junge, der mein Herz dazu brachte, schneller zu schlagen. Und da gab es einen Moment zwischen uns, da fühlte es sich an, als wäre ich auch plötzlich eine andere Rosa für ihn als all die Jahre zu