: Anne von Canal
: Whiteout
: mareverlag
: 9783866483330
: 1
: CHF 8.70
:
: Erzählende Literatur
: German
: 192
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Lieber Amundsen, Scott ist tot. Melde dich, Wilson.' Die E-Mail, die Hannas Welt ins Wanken bringt, besteht nur aus einer Zeile und erreicht die Wissenschaftlerin ausgerechnet während einer wichtigen Antarktisexpedition, von der sie neue Erkenntnisse über das Klima der Vergangenheit erwartet. Mit einem Schlag ist die Erinnerung an ihre beste Jugendfreundin Fido wieder da, die vor zwanzig Jahren ohne Erklärung den Kontakt abbrach und damit alle gemeinsamen Zukunftspläne verriet. In der endlosen Weite des Eises lassen die ungeklärten Fragen von damals Hanna immer mehr die Kontrolle verlieren. Als die Spannungen in ihrem kleinen Forscherteam zunehmen und dann auch noch ein Schneesturm den Erfolg ihres Projektes gefährdet, wird die Zeit im Eis endgültig zur Zerreißprobe.

Anne von Canal, geboren 1973, war nach dem Studium der Skandinavistik und Germanistik zehn Jahre lang im Verlagswesen und als Übersetzerin tätig, bevor sie sich selbst dem Schreiben widmete. Sie lebt an Mosel und Elbe. Ihr Roman 'Der Grund' (mare 2014) war ein großer Erfolg bei Publikum und Presse.

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Unser Herz schlägt nicht mehr.

Über der eisigen Weite liegt eine Stille, glatt wie Emaille. Die Zeltwand flattert leise, doch sonst höre ich nichts.

Etwas ist schiefgegangen.

Ich setze mich auf.

Zappa?, will ich rufen. Thomas! Aber ich kann mich nicht überwinden, meine Stimme in dieses außerordentliche Schweigen zu zwingen. Es ist zu groß.

Ich schließe die Augen, um besser hören zu können, aber da ist nichts.

Kein Laut. Kein Puls.

Vielleicht bin ich allein. Zappa, Thomas, Ole, Fränzi – keiner mehr da, das Camp weg, unsere Geräte verschwunden. Oder es ist mein Herz, das nicht mehr schlägt, und ich bin nicht mehr da. Vielleicht ist das die Ewigkeit, und ich bin bloß meine eigene Idee. Es würde mich nicht überraschen.

Hier muss man auf alles gefasst sein.

Ich sollte nachsehen, was passiert ist. Sollte mir einen Überblick verschaffen, feststellen, wo der Fehler liegt. Ob es einen Schaden gibt. Ob der Ausfall die Expedition gefährdet. Müsste mir Gedanken machen, über die möglichen Konsequenzen. Sollte. Müsste. Doch mehr, als meine Augen ziellos über den gelben Himmel zu schicken, der sich über mir spannt, bringe ich nicht fertig. Ich sitze einfach nur da, schaue, lausche. Und spüre, wie die Kälte durch die Nasenlöcher in mich hineinkriecht und langsam meine Gedanken lähmt.

Direkt neben meinem Kopf ist ein kleiner Punkt auf dem Stoff, er ist schon lange dort, ein alter Bekannter, weder schwarz noch weiß. Seltsam eigent