: Ali Zamir
: Die Schiffbrüchige
: Eichborn AG
: 9783838725437
: 1
: CHF 15.10
:
: Erzählende Literatur
: German
: 254
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Im Indischen Ozean ertrinkt eine junge Frau. Die Wellen sind erbarmungslos, ihre Kräfte lassen nach, aber im Angesicht des Todes bäumt sie sich auf, in einem letzten Aufbegehren reißt Anguille uns mit in die Erzählung ihres Lebens und in die Tiefe des Meeres.

Ein gleichermaßen atemloser wie bezaubernder Roman mit einer nie da gewesenen Heldin und einer Sprache, die ihresgleichen sucht. DIE SCHIFFBRÜCHIGE ist ein literarisches Wunder.




Der 30jährige Autor lebt auf der Insel Anjouan auf den Komoren. Die Schiffbrüchige ist sein Erstlingswerk und hat den Prix Senghor 2016 erhalten.

Das Land, ja, das Land hat mich ausgespuckt, das Meer verschlingt mich, der Himmel wartet, und kaum komme ich wieder zu mir, sehe ich nichts, höre ich nichts, spüre ich nichts, aber das fällt nicht ins Gewicht, denn ich bin nichts wert, warum sollte ich den Kopf hängen lassen, wo alles hier endet, »ein Toter darf keine Angst haben vorm Verrotten«, sagte mein Vater Connaît-Tout immer, und der hatte die Weisheit mit Löffeln gefressen, trotzdem wusste er nicht, auch wenn er mir den Namen Anguille gegeben hatte, ja, genau, einen Aal hat er mich genannt, trotzdem wusste er nicht, dass alle ihre eigene Aalstatt haben, dass jede Höhle einen Aal reifen lässt, jede Stille eine Überraschung, aber dass die Überraschungen je nach Tiefe der Stille schwanken, und wenn ich sagte, »mein Vater Connaît-Tout«, dann weil ich noch einen anderen habe, und wie hieß es doch gleich, das ist jemand, der durch die Natur zieht, das sollte niemanden wundern, denn wenn es Leute gibt, die nur einen Vater haben, gibt es auch welche, die haben mehr als zwei, ich jedenfalls habe bisher zwei, aber das ist eine andere Geschichte,

alles hier ist wie ein Spuk und zugleich eine Wüste, mir kommt es vor, als wäre ich in einem großen finsteren Schlund, ein Grab ist dieser Ort, etwa nicht, nun sagt doch was, die ihr mich hört, dann wäre ich also an meiner letzten Ruhestätte, denn da ist weder dieser erbärmliche Haufen, zu dem ich gehörte, noch die entsetzliche Angst, die um mich war, ohne mich auch nur zu streifen, sind keine jämmerlichen Schreie, nicht mal die Schluchzer und herzzerreißenden Tränen, die immer wieder hervorbrachen, Himmel, von nichts mehr eine Spur, kein Wesen könnte hier behaupten, in irgendeiner Form zu existieren, aber was rede ich, nicht mal für das, was man existieren nennt, gibt es in einem solchen Zustand einen echten Beweis, schlimm ist das, aber noch mal, wer sagt mir, dass ich lebe, einem Aal zuliebe, bitte, kann mir vielleicht jemand antworten und mir meine Zweifel nehmen, wenigstens das, nur das Halluzinieren hat hier noch einen Sinn, alles ist eigenartig nichtig und leer, angefangen bei dieser Finsternis, die nichts mehr fasst und nichts mehr wiegt und nur noch blutleere Dunkelheit ist, bloß Dunkelheit, und dann diese unangenehmen Geräusche, die sich in meinem Kopf sammelten und die ich für den Lärm der gespenstischen Wellen hielt, ja, denn die Wellen, die über uns herfielen wie wütende Ungeheuer, verbanden sich mit den gellenden Schreien der verängstigten Frauen und Kinder, den Stimmen der Männer, die um Hilfe riefen, bis ihre Rufe erstarben, als hätten die Menschen begriffen, dass sie sich diesem tragischen Schicksal ergeben mussten, als wären sie Ausgestoßene, besiegt und lautlos umgekommen in den Grauen eines Schlachtfelds, aber am merkwürdigsten ist, dass ich jetzt, wo ich mit mir spreche, nicht die geringste körperliche oder seelische Empfindung verspüre, alles ist ein einziges Chaos, oder bin ich in der Welt der Man