: Franz Kafka
: Alain Ottiker
: In der Strafkolonie. Textausgabe mit Kommentar und Materialien [Reclam XL - Text und Kontext] - Kafka, Franz - 16161
: Reclam Verlag
: 9783159612652
: Reclam XL ? Text und Kontext
: 2
: CHF 4.40
:
: Deutsch
: German
: 70
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Franz Kafka - »ein Lüstling des Entsetzens«? Kafkas Erzählung über einen »eigentümlichen Apparat«, der Angeklagten ihre Strafe in den Leib einschreibt, wurde 1914 verfasst. Noch heute verstört sie ihre Leser. Klassenlektüre und Textarbeit einfach gemacht: Die Reihe »Reclam XL - Text und Kontext« erfüllt alle Anforderungen an Schullektüre und Bedürfnisse des Deutschunterrichts: * Schwierige Wörter werden am Fuß jeder Seite erklärt, ausführlichere Wort- und Sacherläuterungen stehen im Anhang. * Ein Materialienteil mit Text- und Bilddokumenten erleichtert die Einordnung und Deutung des Werkes im Unterricht. * Natürlich passen auch weiterhin alle Lektüreschlüssel, Erläuterungsbände und Interpretationen dazu! E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Franz Kafka (3. 7. 1883 Prag - 3. 6. 1924 Kierling bei Klosterneuburg) studierte nach dem Abitur Jura an der Deutschen Universität Prag und wurde 1906 promoviert. Im Brotberuf Versicherungsjurist widmete sich Kafka seiner schriftstellerischen Tätigkeit in der Regel nachts. Seine erste große Erzählung 'Das Urteil' (1912) bedeutete den Durchbruch zu einem eigenen Erzählstil, der von präzise-realistischen Detailschilderungen und einer phantastisch-grotesken Verfremdung der Realität gekennzeichnet ist. Kafkas unverwechselbarer Stil wird mit dem eigens geprägten Begriff ?kafkaesk? beschrieben. Kafka starb im Alter von 40 Jahren an Tuberkulose. Mit falschem E-Book verknüpft, überarbeitet

[5]»Es ist eineigentümlicher Apparat«, sagte derOffizier zu dem Forschungsreisenden und überblickte mit einem gewissermaßen bewundernden Blick den ihm doch wohlbekannten Apparat. Der Reisendeschien nur aus Höflichkeit der Einladung desKommandanten gefolgt zu sein, der ihn aufgefordert hatte, derExekution eines Soldaten beizuwohnen, der wegen Ungehorsam und Beleidigung des Vorgesetzten verurteilt worden war. Das Interesse für diese Exekution war wohl auch in der Strafkolonie nicht sehr groß. Wenigstens war hier in dem tiefen, sandigen, von kahlen Abhängen ringsum abgeschlossenen kleinen Tal außer dem Offizier und dem Reisenden nur der Verurteilte, einstumpfsinniger, breitmäuliger Mensch mitverwahrlostem Haar und Gesicht und ein Soldat zugegen, der die schwere Kette hielt, in welche die kleinen Ketten ausliefen, mit denen der Verurteilte an den Fuß- und Handknöcheln sowie am Hals gefesselt war und die auch untereinander durch Verbindungsketten zusammenhingen. Übrigens sah der Verurteilte sohündisch ergeben aus, dass es den Anschein hatte, als könnte man ihn frei auf den Abhängen herumlaufen lassen und müsse bei Beginn der Exekution nur pfeifen, damit er käme.

Der Reisende hattewenig Sinn für den Apparat und ging hinter dem Verurteilten fast sichtbar unbeteiligt auf und ab, während der Offizier die letzten Vorbereitungen besorgte, bald unter den tief in die Erde eingebauten Apparat kroch, bald auf eine Leiter stieg, um die oberen Teile zu untersuchen. Das waren Arbeiten, die man eigentlich einem Maschinisten hätte überlassen können, aber der[6]Offizier führte sie mit einem großen Eifer aus, sei es, dass er ein besonderer Anhänger dieses Apparates war, sei es, dass man aus anderen Gründen die Arbeit sonst niemandem anvertrauen konnte. »Jetzt ist alles fertig!« rief er endlich und stieg von der Leiter hinunter. Er warungemein ermattet, atmete mit weit offenem Mund und hatte zwei zarteDamentaschentücher hinter den Uniformkragen gezwängt. »Diese Uniformen sind doch für dieTropen zu schwer«, sagte der Reisende, statt sich, wie es der Offizier erwartet hatte, nach dem Apparat zu erkundigen. »Gewiss«, sagte der Offizier und wusch sich die von Öl und Fett beschmutzten Hände in einem bereitstehenden Wasserkübel, »aber sie bedeuten die Heimat; wir wollen nicht die Heimat verlieren. – Nun sehen Sie aber diesen Apparat«, fügte er gleich hinzu, trocknete die Hände mit einem Tuch und zeigte gleichzeitig auf den Apparat. »Bis jetzt war noch Händearbeit nötig, von jetzt aber arbeitet der Apparat ganz allein.« Der Reisende nickte und folgte dem Offizier. Dieser suchte sich für alle Zwischenfälle zu sichern und sagte dann: »Es kommen natürlich Störungen vor; ich hoffe zwar, es wird heute keine eintreten, immerhin muss man mit ihnen rechnen. Der Apparat soll ja zwölf Stunden ununterbrochen im Gang sein. Wenn aber auch Störungen vorkommen, so sind es doch nur ganz kleine und sie werden sofort behoben sein.«

»Wollen Sie sich nicht setzen?« fragte er schließlich, zog aus einem Haufen vonRohrstühlen einen hervor und bot ihn dem Reisenden an; dieser konnte nicht ablehnen. Er saß nun am Rande einer Grube, in die er einen flüchtigen Blick warf. Sie war nicht sehr tief. Zur einen Seite der Grube war die ausgegrabene Erde zu einemWall aufgehäuft, zur[7]anderen Seite stand der Apparat. »Ich weiß nicht«, sagte der Offizier, »ob Ihnen der Kommandant den Apparat schon erklärt hat.« Der Reisende machte eine ungewisse Handbewegung; der Offizier verlangte nichts Besseres, denn nun konnte er selbst den Apparat erklären. »Dieser Apparat«, sagte er und fasste eine Kurbelstange, auf die er sich stützte, »ist eine Erfindung unseresfrüheren Kommandanten. Ich habe gleich bei den allerersten Versuchen mitgearbeitet und war auch bei allen Arbeiten bis zur Vollendung beteiligt. DasVerdienst der Erfindung allerdings gebührt ihm ganz allein. Haben Sie von unserem früheren Ko