Vorwort
Viele Leserinnen und Leser, die dieses Buch zur Hand nehmen, mögen sich fragen: Warum ein Buch über den Sohn eines römisch-katholischen Priesters? Was kann so bemerkenswert anders an dem Leben eines Priesterkindes sein als an dem Leben eines jeden beliebigen Kindes? Gibt es in unserer Gesellschaft, in der die großen Kirchen zusehends unglaubwürdiger werden und täglich deutlicher an Macht und Einfluss verlieren, überhaupt noch einen Grund, an der Vaterschaft eines Priesters Anstoß zu nehmen?
Mit Sicherheit – werden Sie vielleicht denken – gibt es heutzutage kaum noch einen vernunftbegabten Menschen, der darin eine Sünde sieht. Warum dann also so viel Aufhebens um etwas so Alltägliches wie ein unehelich geborenes Kind, das das Schicksal so vieler anderer teilt, die ohne Vater bei ihren alleinerziehenden Müttern aufwachsen?
Lassen Sie mich Ihnen versichern, liebe Leserin, lieber Leser – es nehmen auch heute noch Massen geradezu erbittert daran Anstoß, wenn ein Priester ein Kind bekommt.
Als ich 1992 nach mehrjähriger Recherche erstmals ein Sachbuch mit dem Titel »Sag keinem, wer dein Vater ist« über das Schicksal von Priesterkindern veröffentlichte, erreichte mich eine Flut von Leser/innenbriefen.
Sehr viele waren darunter, in denen mein Buch ein »notwendiges und hoffentlich Not wendendes« genannt wurde. Die meisten Briefschreiber waren Klostergeistliche oder Priester im Pfarrdienst, Lehrberuf, Militärdienst, Pfarrhaushälterinnen mit heimlicher Beziehung zu ihrem Pfarrer sowie Menschen aus einer verwaisten Pfarrei, deren Pfarrer wegen eines Verstoßes gegen den Zölibat suspendiert worden war.
Weit mehr Zuschriften aber kamen von Leuten, die nicht etwa hauptsächlich über die Tatsache empört sind, dass eine erschreckend große Zahl römisch-katholischer Priester ein Doppelleben führt und heimlich Frau und Kinder hat. Die Mehrheit aller Zuschriften beschimpfte mich vielmehr, weil ich mit diesem Buch Gotteslästerung beginge, indem ich »die Sünde eines gottgeweihten Priesters« laut zu nennen wage. Von manchen Leserinnen wurde ich dafür verflucht. Einige Morddrohungen waren auch dabei. Angehörige meiner Familie wurden stellvertretend für mich auf der Straße gescholten.
Wegen des wüsten Stroms der Beschimpfungen am Telefon schaffte ich mir in dieser Zeit einen Anrufbeantworter und eine Trillerpfeife an. Eine Buchhändlerin in Recklinghausen, die mein Buch einem jungen Kaplan empfahl, sah diesen entsetzt zurückweichen und abwehren: Nein, nein, da sei Gott vor, dass er ein solches Teufelsmachwerk lese. Und einmal erfuhr ich, dass der Pfarrer einer meinem Wohnort benachbarten Gemeinde mein Buch und mich von der Kanzel herunter und sogar in s