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Es ist sieben Uhr morgens, und das Sonnenlicht fällt rosa-orange durchs Schlafzimmerfenster. Ich sitze auf der Bettkante unseres Ehebettes und sehe zu, wie mein Mann sich den Anzug anzieht, während ich ein falsches Lächeln aufsetze. Das gelbe Licht der Deckenlampe wird von seinem graublonden Haar reflektiert, sodass sich ein blasser Glorienschein um seinen Kopf bildet.
Man muss nur einen kurzen Blick in unser Schlafzimmer werfen, um seine maskuline Prägung wahrzunehmen. Der dunkle Holzboden, der zwar schön aussieht, mir aber im Winter die Füße abfrieren lässt. Die kahlen, nilgrün gestrichenen Wände. Helle Holzläden umrahmen die Schiebefenster, die er liebevoll restaurieren ließ.
Auch wenn er viel für mich umgeräumt hat, ist es im Grunde noch immer sein Zimmer. Sein Haus. Ich habe auch nichts mitgebracht, für das sich ein Umstellen gelohnt hätte. Ich war mittellos und am Boden, und er stellte sich der Herausforderung, als wäre ich ein verborgener Diamant. Polierte mich, bis ich glänzte und strahlte.
»Ich versuche, bis sechs zu Hause zu sein.« Simon schiebt die silbernen Manschettenknöpfe durch die Knopflöcher seines blauen Oxford-Hemdes. »Ich habe Elise versprochen, dass wir früh zur Galerie kommen.«
Elise ist seine Tochter. Ich sollte sie eigentlich als meine Stieftochter betrachten, doch mit ihren siebenundzwanzig ist sie gerade mal zwei Jahre jünger als ich. Es ist schwer, nicht zwiespältig über sie zu denken, da sie mich immer über ihre perfekt geformte Nase hinweg anstarrt, wenn ich durch die Tür komme. Selbst dabei ist sie immer höflich, immer beherrscht und verbirgt ihre Abneigung gegen mich. Simon und seine Exfrau haben sie gut erzogen.
»Du hast deine Krawatte vergessen.« Ich stehe auf und komme hinter ihm her, lege ihm die blaue Seide um den Hals, verknote sie ordentlich und streiche mit ausgestreckten Fingern darüber.
Simon sagt nichts, sondern schaut mich nur mit seinen schokoladenbraunen Augen an. Weshalb ich überlege, ob er wohl darauf wartet, dass ich ihn küsse. Ich mache es sowieso und drücke meine Lippen sanft an seine Wange. Sie wird prall, als er lächelt.
»Du solltest das Kleid tragen, das ich dir letzten Monat geschenkt habe. Das mit den silbernen Riemen.«
Ich nicke und bemühe mich nicht, ihn daran zu erinnern, dass die Riemen golden sind. Ich weiß, dass es ihn eigentlich nicht interessiert. Es gefällt ihm einfach, wenn ich mich zurechtmache, und es ist egal, welche Farbe ich dabei trage. Ich mag es, wenn er glücklich ist, denn es macht das Leben einfacher, seins und auch meins, und das gefällt mir.
Er geht mit einer Aktentasche voller Unterlagen, die er den ganzen letzten Abend gelesen hat, und ich wasche mir unter der Dusche die Spuren der Nacht ab. Danach ziehe ich meine alten Jeans und ein abgetragenes T-Shirt an und gehe zur U-Bahn. Um diese Uhrzeit ist sie immer gerammelt voll. Ich quetsche mich durch die Menschenmenge in einen Wagen, halte die Luft an, als ich gegen ein junges Mädchen in Schuluniform gedrückt werde. Ich lächle sie entschuldigend an, sie verdreht die Augen und wendet sich ab.
Das ist die Sprache unter der Erde. Die Menschen sind nicht dafür ges