: Rafael Hüntelmann
: Grundkurs Philosophie IV. Das Leib-Seele-Problem
: Editiones Scholasticae
: 9783868382037
: 1
: CHF 8.80
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: Allgemeines, Lexika
: German
: 134
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das Geistige ist immateriell und nicht in Raum und Zeit. Alles Materielle ist ausgedehnt, räumlich und zeitlich. Wie kann dann etwas Mentales, wie ein Willensentschluss, eine physische Wirkung haben? Lässt sich eine Empfindung wie Schmerz auf neurophysiologische Prozesse reduzieren oder ist eine Empfindung mehr als solche Prozesse? Dies sind Fragen der Philosophie des Geistes, eines der wichtigsten Forschungsgebiete der Gegenwartsphilosophie. Der Grundkurs Philosophie IV stellt die wichtigsten Theorien der Gegenwartsphilosophie vor, die auf diese Fragen eine Antwort zu geben versuchen. Im Unterschied zu allen anderen Einführungsschriften zum Leib-Seele-Problem gibt diese Schrift darüber hinaus eine Antwort auf der Grundlage der aristotelisch-thomistischen Philosophie, die sich als echte Alternative sowohl zum Dualismus als auch zum Materialismus erweist.

Rafael Hüntelmann, Dr. phil. ist Verleger und Dozent für Philosophie an verschiedenen privaten Hochschulen. Er ist Autor verschiedener Bücher und Aufsätze mit dem Schwerpunkt Ontologie und Metaphysik. Zuletzt ist von ihm erschienen, Grundkurs Philosophie Band V, Die Existenz Gottes.

I. Das Leib-Seele-Problem


Um mit einem Ihnen bereits aus den früheren Bänden desGrundkurses bekannten Beispiel zu beginnen: Im Herbst gehen Sie im Park spazieren und finden einige Kastanien, die vom Baum herabgefallen sind. Sie sehen dieses für Kastanien typische, leicht glänzende Braun. Ist dieser Sinneseindruck, diese Farbwahrnehmung etwas, das sich vollständig durch bestimmte Hirnaktivitäten erklären lässt?

Vor allem in süddeutschen Städten gibt es im Spätherbst und Winter Stände, die heiße Esskastanien oder Maronen anbieten. Wenn Sie schon einmal eine Marone gegessen haben, kennen Sie diesen typischen, etwas trockenen und nussigen Maronengeschmack, der mit keinem anderen Geschmack vergleichbar ist. Ist dieser Sinneseindruck, diese Geschmackswahrnehmung vollständig durch eine Gehirnaktivität erklärbar?

Wenn Sie im Supermarkt den Preis zweier oder mehrerer Dinge, die Sie kaufen wollen, noch vor der Kasse kurz durchrechnen, um abzuschätzen, ob Sie genug Geld in Ihrem Portemonnaie haben, um die Dinge zu bezahlen, dann verwenden Sie dazu das mathematische Mittel einer einfachen Addition. Ist diese Tätigkeit des Rechnens nichts anderes als eine Hirntätigkeit, d.h., lässt sich die Beantwortung einer Rechenaufgabe auf rein materielle Weise auf bestimmte Gehirnaktivitäten zurückführen? Eine ähnliche Frage kann man stellen in Bezug auf logische Schlussfolgerungen. Sind diese etwas, das unabhängig vom Gehirn ist, handelt es sich dabei um eine rein geistige Tätigkeit, oder ist diese Tätigkeit ausschließlich durch neuronale Aktivitäten erklärbar?

Man könnte noch eine Reihe anderer und ähnlicher Fragen stellen. Alle diese Fragen sind solche, die zum Gegenstandsbereich der sogenannten „Philosophie des Geistes“ gehören. Die grundlegende Frage-stellung der Philosophie des Geistes ist die nach dem Zusammenhang von Geist, Bewusstsein oder Seele einerseits und Körper bzw. Leib andererseits. Dieses Fachgebiet der Philosophie ist als Fachgebiet relativ neu, obwohl die Fragestellung selbst so alt ist wie die Philosophie. Die Philosophie des Geistes ist heute, in der Gegenwartsphilosophie, wohl eines der umfangreichsten und am meisten interessierenden philosophischen Fachgebiete. Einer der wichtigsten Gründe für dieses enorme Interesse an einer an sich eher begrenzten Fragestellung dürfte der enorme Fortschritt der Neurowissenschaften in den vergangenen fünfzig Jahren sein. Dieser Fortschritt gibt für viele Anlass zu der Hoffnung, dass sich eines nicht allzu fernen Tages alle „mentalen“, also geistigen oder bewussten Tätigkeiten vollkommen naturwissenschaftlich und damit letztlich physikalisch erklären ließen. Vertreter dieser Hoffnung heißen deshalb auchPhysikalisten oder, allgemeiner, Materialisten, weil sie der Auffassung sind, dass alles Geistige (im weitesten Sinne) letztlich auf Materielles reduzierbar sei.

Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, die Fragestellung der Philosophie des Geistes nach dem Verhältnis von Körper und Geist, bzw. allgemeiner von Körper und Seele (ein Wort, das in der Gegenwartsphilosophie allerdings kaum noch verwendet wird) zu beantworten. Die eine Antwort habe ich gerade kurz vorgestellt: Alles Seelische oder Geistige sei letztlich nichts anderes als materiell. Es lasse sich vollständig durch die elektrophysiologischen Aktivitäten des Gehirns und der Sinnesorgane erklären. Die zweite, heute kaum vertretene Auffassung behauptet, dass es letztlich überhaupt nichts „Materielles“ in diesem Sinne gebe, dass vielmehr das Einzige, das existiere, der Geist sei. Dieser Geist bringe durch seine Tätigkeit d