: Richard Ford
: Zwischen ihnen
: Hanser Berlin
: 9783446257863
: 1
: CHF 9.90
:
: Romanhafte Biographien
: German
: 128
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mit siebzehn verliebt sich Edna Akin aus Arkansas in Parker Ford, einen Jungen vom Land mit den durchscheinend hellblauen Ford-Augen. Sie heiraten und beginnen ein Nomadenleben in den Südstaaten der USA - Parker arbeitet als Handlungsreisender. Die 30er Jahre ziehen vorbei wie ein langes Wochenende, ungezählte Meilen, Cocktails, Hotelzimmer: New Orleans, Texarcana, Memphis. Die Geborgenheit, die es in ihrer Welt, dem Amerika der frühen Ford-Romane, nicht gibt, finden sie beieinander. Dann kommt ein einziges spätes Kind zur Welt - und alles ändert sich. 'Zwischen ihnen' ist Richard Fords intimstes Buch: ein literarisches Memoir über seine Eltern und ein atmosphärisches Porträt des Lebens in den USA Mitte des 20. Jahrhunderts.

Richard Ford wurde 1944 in Jackson, Mississippi, geboren und lebt heute in Maine. 1996 erhielt er für Unabhängigkeitstag den Pulitzer Prize und den PEN/Faulkner Award, 2020 den Library of Congress Prize for American Fiction. Bei Hanser Berlin erschien von ihm zuletzt Zwischen ihnen (2017).

 

 

Irgendwo tief in meiner Kindheit kommt mein Vater an einem Freitagabend von seiner Tour nach Hause. Er ist ein Handlungsreisender. Es ist1951 oder52. Er hat unförmige Pakete in weißem Metzgerpapier dabei, gekochte Shrimps oder Tamales oder eine Pinte Austern, die er aus Louisiana mitgebracht hat. Als er das speckige Papier aufschlägt, steigt von den Shrimps und Tamales heißer Dampf empor. In unserer kleinen Doppelhaushälfte in der Congress Street in Jackson strahlen alle Lichter hell. Mein Vater, Parker Ford, ist ein großer Mann – weich, wuchtiges Aussehen, breit lächelnd, als hätte er gerade einen guten Witz im Sinn. Er ist freudig erregt darüber, zu Hause zu sein, und schnuppert voller Vorfreude. Seine blauen Augen funkeln. Meine Mutter steht neben ihm, erleichtert, dass er wieder da ist, beschwingt und glücklich. Er breitet die Pakete auf der metallenen Tischplatte in der Küche aus, damit wir schon mal sehen, was wir gleich essen werden. Festlicher kann das Leben nicht sein. Mein Vater ist wieder zu Hause.

Meine Mutter und ich haben uns die ganze Woche auf seine Ankunft gefreut. »Edna, würdest du …?« »Edna, hast du …?« »Mein Sohn, mein Sohn …« Und ich mittendrin. Das normale Leben – zwischen seinen Aufbrüchen am Montag und den Freitagabenden, wenn er zurückkehrt –, das normale Leben ist die Zeit dazwischen. Eine Zeit, von der er nichts zu wissen braucht und die meine Mutter ihm erspart. Wenn etwas Schlimmes passiert ist, wenn sie und ich uns gestritten haben (immer möglich), wenn ich Probleme in der Schule hatte (auch möglich), werden diese Nachrichten übertüncht, für seinen Seelenfrieden manikürt. Ich kann mich an kein einziges Mal erinnern, dass meine Mutter gesagt hätte: »Das muss ich deinem Vater sagen.« Oder: »Wart nur, bis Vater heimkommt.« Oder »Das wird deinem Vater aber nicht gefallen …« Er legt –sie legen – die Organisation der Woche, meine Betreuung eingeschlossen, in ihre Hände. Wenn er bei der Heimkehr, gutgelaunt lächelnd mit seinen Paketen, nichts zu hören bekommt, kann er davon ausgehen, dass nichts besonders Schlimmes vorgefallen ist. Was den Tatsachen entspricht, insofern ist es mir recht.

Sein großes, geschmeidiges, fleischiges Gesicht neigte zum Lächeln. Seine erste Miene war immer die lächelnde. Die lange, irische Lippe. Die durchscheinenden blauen Augen – meine Augen. Das muss meiner Mutter aufgefallen sein, als sie ihn kennenlernte – wo immer das war. In Hot Springs oder Little Rock, irgendwann vor1928. Aufgefallen sein und gefallen haben. Ein Mann, der gern glücklich war. Sie war nie so ganz glücklich gewesen – nur teilweise, bei den Nonnen, die sie in St. Anne’s in Fort Smith unterrichteten, ihre Mutter hatte sie da hingegeben, um sie aus dem Weg zu haben.

Das Glücklichsein hatte aber einen Preis. Seine Mutter Minnie, eine unnachgiebige Einwanderin aus County Cavan, Kleinstadtwitwe und Presbyterianerin, war unbeirrbar der Ansicht, meine Mutter sei Katholikin. Warum wäre sie sonst auf diese Nonnenschule gegangen? Katholisch hieß »offen« statt misstrauisch und eng. Parker Carrol war das jüngste ihrer drei Kinder. Ihr Baby. Der Vater meines Vaters, ihr Mann – L. D. jr. –, hatte sich damals schon das Leben genommen. Ein zum Dandy gewordener Farmer mit Goldknauf-Spazierstock in einer kleinen Stadt in Arkansas. Und sie saß nun da mit seinen Schulden und seinem Skandal. Sie wollte ihren kostbaren Jüngsten beschützen. Vor den Katholiken, keine Frage. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte ihn meine Mutter niemals ganz gekriegt. Und dabei blieb sie.

Selbst als junger Mann verströmte mein Vater keine »Stärke«. Sondern v