4. Kapitel
Der Peugeot stand nur wenige Schritte vom Haus entfernt. Mit leichtem Bedauern startete Norma den Motor. Wer gab schon gern eine legale Parkbucht in der Innenstadt auf? Doch ihr Weg führte sie aus der Kernstadt hinaus und zu ihrem liebsten Bioladen, der auch eine reichhaltige Auswahl asiatischer Zutaten, Kräuter und Gewürze im Angebot hatte. Auf dem Ersten Ring glitt der Verkehr zügig dahin. Die Fassaden der historistischen Bürgerhäuser und Jugendstilgebäude zogen an ihr vorbei, und sie spielte mit dem Gedanken, wie es wäre, vorübergehend in einem solchen Prachtbau zu Hause zu sein. Sie vermisste ihr Biebricher Fachwerkdomizil und machte sich Gedanken, was die Handwerker inzwischen mit ihrer Wohnung angestellt haben mochten.
Zehn Minuten später verließ sie die breite Ausfallstraße, die weiter in Richtung Mainz führte, und steuerte den Wagen quer durch den Wiesbadener Ortsteil Erbenheim. Ein Sträßchen brachte sie schließlich zum Ziel. Der Bioladen gehörte zu einem Aussiedlerhof, dessen abgeschiedene Lage inmitten von Feldern und Streuobstwiesen den Besucher die eng besiedelte Umgebung vergessen ließ. Der Parkplatz lag vor einer Mauer. Neben einem Schild mit den Öffnungszeiten des Hofladens hing eine große Tafel mit der Aufschrift »Hundezucht Von der alten Weide – Italienisches Windspiel«. Kaum ausgestiegen, atmete Norma unwillkürlich tief ein. Es roch nach Sommer. Auf dem Hof schallte ihr Kälberblöken entgegen und weckte Erinnerungen an ihre Kindheit. Untermalt wurde es von fröhlichem Vogelgezwitscher, und die gelben Strauchrosen, die den Fußweg zum Laden säumten, empfingen sie in voller duftender Blüte.
Vor dem Laden stürmte ihr eine agile Meute junger Hunde entgegen. Zwei rehbraune, ein schwarzer und ein stahlgrauer Welpe umwuselten ihre Waden. Die Hundekinder begeisterten sich für ihre Schnürsenkel und verbissen sich in ihrem Einkaufskorb und in den Blusenärmeln, nachdem sie in die Hocke gegangen war. Spitze Zähnchen kauten auf ihren Fingern, zarte Schnäuzchen überboten sich in dem Bemühen, ihr Gesicht zu küssen. Alles geschah unter leidenschaftlichem Fiepen, Winseln und Knurren. Kurz und gut: Norma war hingerissen von diesen entzückenden Wesen, die bei aller Vitalität so zartgliedrig schienen, als könnte man sie mit einem Griff aus Versehen zerquetschen.
Als zwei stämmige, jeansbehoste Beine in ihrem Gesichtsfeld auftauchten, richtete sie sich auf und begrüßte die Biobäuerin und Hundezüchterin. »Was für ein temperamentvoller Empfang!«
Barbara Seeborn lachte herzlich. »Vier Welpen bringen Leben ins Haus, keine Frage.«
Mit sanfter Konsequenz löste Norma das besonders anhängliche schwarze Kerlchen von ihrem Schuh. Die drei Geschwister hatten in der Zwischenzeit ein neues Spiel entdeckt und attackierten mit Vehemenz ein zerschlissenes Handtuch. Nach einem behutsamen Schubs tappte Nummer vier der Rangelei entgegen, die prompt unterbrochen wurde, als eine kniehohe braune Windhündin die Welpen mit hohen Fieptönen zu sich rief.
»Bei meinem letzten Einkauf waren sie kaum halb so groß«, stellte Norma beeindruckt fe