»Es wird wohl falsch zitiert sein; die meisten Zitate sind falsch.«
Theodor Fontane,Die Poggenpuhls
In einem früheren Leben, bevor ich Journalist wurde, studierte ich Geologie. Und da gab es in einer schriftlichen Prüfung mal eine fiese Frage zu Conodonten. Conodonten, soviel zur Erläuterung, sind bizarre Fossilien, die die Evolution vor allem erfunden hat, um Geologiestudenten zu quälen: Sie sehen aus wie Zahnreihen, sind winzig klein, verdammt schwer auseinanderzuhalten und existierten das gesamte Erdaltertum hindurch, 300 Millionen Jahre lang. Man nimmt an, dass es tatsächlich Zähne von aalförmigen Lebewesen sind, die im Meer lebten – nur ist der Rest des Körpers fast nie erhalten. Jedenfalls wusste ich zu wenig über Conodonten und schrieb stattdessen einFaust-Zitat hin: »Geheimnisvoll am lichten Tag, lässt sich Natur den Schleier nicht entreißen.« Goethe war ja auch Naturforscher, dachte ich, das passt doch. Der Professor reagierte extrem souverän: Er gab mir einen Punkt für Originalität, zog aber einen halben Punkt gleich wieder ab, weil ich, wie er mir bei der Rückgabe der Arbeit erklärte, »ein Schlamper« sei. Korrekt laute der Vers nämlich folgendermaßen, dozierte er dann, während er den erhobenen Zeigefinger tanzen ließ und sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte: »Geheimnisvoll am lichten Tag / lässt sich Naturdes Schleiers nicht berauben / und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag / das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben«. 1 : 0 für die Erfahrung des Alters gegen den Leichtsinn der Jugend.
Zitate können also durchaus hilfreich sein, lernte ich daraus – wenn man sie beherrscht. Auch das wusste schon Goethe: »Eine Sammlung von Anekdoten und Maximen ist für den Weltmann der größte Schatz, wenn er die ersten an schicklichen Orten ins Gespräch einzustreuen, der letzten im treffenden Falle sich zu erinnern weiß.«
Und so geht es uns ja allen. Wir lieben zugespitzte Bemerkungen,